The Man Who Killed Don Quixote

Abenteuer | Spanien/Frankreich/Belgien/Portugal 2018 | 134 Minuten

Regie: Terry Gilliam

Ein Regisseur wird während der Produktion eines Werbespots an seine frühe, kunstsinnige Don-Quixote-Adaption erinnert und besucht das Dorf, in dem er damals drehte. Dort hat die Verfilmung heftige Spuren hinterlassen, insbesondere der damalige Hauptdarsteller wähnt sich weiter in einer Don-Quixote-Welt. Mit einer großen Fülle an absurden Einfällen und grotesken Ideen entfaltet der Film-im-Film, den der Regisseur Terry Gilliam mehrere Jahrzehnte lang gegen alle Widerstände verfolgte, eine visuell großartige Persiflage auf den berühmten Roman von Miguel de Cervantes. Die Verschränkung der Zeitebenen und das burleske Spiel mit den Verwechslungen tendiert auf Dauer allerdings zu einem Übermaß. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE
Produktionsland
Spanien/Frankreich/Belgien/Portugal
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Alacran Pic./Tornasol Films/Entre Chien et Loup/Ukbar Filmes/El Hombre Que Mato a Don Quijote/Carisco Prod.
Regie
Terry Gilliam
Buch
Terry Gilliam · Tony Grisoni
Kamera
Nicola Pecorini
Musik
Roque Baños
Schnitt
Teresa Font · Lesley Walker
Darsteller
Adam Driver (Toby) · Jonathan Pryce (Don Quixote) · Stellan Skarsgård (Der Boss) · Olga Kurylenko (Jacqui) · Joana Ribeiro (Angelica)
Länge
134 Minuten
Kinostart
27.09.2018
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Abenteuer | Komödie
Externe Links
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Heimkino

Die DVD/BD enthält mehrere kleine Featurettes (ca. 2 Min.) zu Drehorten, Make-up & Kostümen, Ausstattung etc.

Verleih DVD
Concorde (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Concorde (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Visuell großartige Persiflage auf den berühmten Roman von Miguel de Cervantes durch Terry Gilliam mit einer großen Fülle an absurden Einfällen und grotesken Ideen.

Diskussion
„The Man Who Killed Don Quixote“ beginnt so, wie Literaturverfilmungen gerne beginnen: mit einem alten Buch, das aufgeblättert wird. Eine Stimme fängt zu erzählen an, und wenig später blenden die Bilder das Erzählte ein. Zwei Männer, einer hager, in Ritterrüstung zu Pferd, der andere, rundlich, auf einem Esel, nähern sich bei Sonnenauf- oder -untergang einer winzigen Siedlung. Und ehe man sich versieht, steckt der hagere „Ritter von trauriger Gestalt“, der auch in der Adaption von Terry Gilliam eine Windmühle für einen Riesen hält, mitten im legendären Kampf, der ihn und den Roman „El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha“ (1608) von Miguel de Cervantes weltbekannt machte. Die Windmühle steht allerdings nach wenigen Minuten abrupt still, und Don Quixote hängt zappelnd in der Luft. Da weitet sich das Bild und gibt den Blick auf ein Filmset frei, irgendwo in der spanischen Provinz Navarra, an den „Originalschauplätzen“ des vor über 500Jahren entstandenen Ritterromans. „Authentizität“, lautet das Schlüsselwort. Echtheit und das Wahre sind gefragt: der Geruch und die Geräuschkulisse einer Location, die dort herrschenden Raum- und Lichtverhältnisse. Selbst oder gerade wenn es sich, wie hier, um einen Werbefilm handelt. Dabei geht es gar nicht um den minutenlang hilflos in der Luft hängenden Ritter, sondern um den anderen, der ebenfalls im Titel erwähnt wird. Der heißt Toby und wird zu Beginn großartig großkotzig von Adam Driver gespielt, der später die ganze Klaviatur seines charismatischen Könnens entfaltet. Vorerst aber lümmelt sich Toby im Regiestuhl und erklärt die Szene für abgedreht. Wer das Missgeschick in der Postproduktion retten soll, ist ihm egal. Denn Toby betrachtet sich selbst als nie um eine originelle Idee verlegenes Genie – und wird darin von allen andern, zuvorderst von seinem bloß „Der Boss“ genannten Produzenten bestärkt. Doch so wie die Windmühlenkurbel klemmt, der Quixote-Darsteller zwischen Himmel und Erde hängt und die Dreharbeiten zunehmend aus dem Ruder laufen, fehlt es Toby an Inspiration. Abends in der Dorfkneipe findet eine Krisensitzung statt. Toby hält sich raus, tändelt lieber mit der Frau vom „Boss“ an. Mehr aber noch beschäftigt ihn eine aus dem Nichts auftauchende Raubkopie seines eigenen Studenten-Abschlussfilms, den er ein Jahrzehnt zuvor nur wenige Kilometer entfernt realisiert hat: eine künstlerisch hochambitionierte Adaption von Cervantes’ legendärem Ritterroman mit den Bewohnern eines Bergdorfes namens Los Sueños (= Die Träume): schwarz-weißes, dem magischen Realismus verpflichtetes Kunstkino. Von diesen „alten“ Ausschnitten blendet der Film zurück. Als Toby am nächsten Tag aufbricht und den Bewohnern von Los Sueños einen Besuch abstattet, beginnen sich die verschiedenen Zeit- und Realitätsebenen ineinander zu schieben. Der inzwischen 77-jährige Regisseur Terry Gilliam hat den Film wie eine Zwiebel konstruiert. Es ist nicht Gilliams Opus Magnum, aber ein respektables Alterswerk und eine den Filmemacher über Jahrzehnte fast in die Verzweiflung treibende Herzensangelegenheit. Noch vor den Filmtiteln kündigt eine Texttafel an, dass dieses Werk nach mehr als 25 Jahren endlich doch noch ins Kino kommt. Tatsächlich wurde Gilliams „Don Quixote“-Projekt wie kaum ein anderer Film von Pleiten, Pech und Pannen verfolgt. Nachdem sich schon die Finanzierung endlos hingezogen hatte, überfluteten sturzbachartige Regenschauer das Set im Jahr 2000 und zerstörten das komplette Material. Als der Hauptdarsteller Jean Rochefort wenig später schwer erkrankte, musste die Produktion ganz abgebrochen werden. In dem Dokumentarfilm „Lost in La Mancha“ (2002) von Keith Fulton und Louis Pepe werden diese katastrophalen Ereignisse beeindruckend nachgezeichnet. Doch Terry Gilliam wollte das Projekt nicht aufgeben. Mit immer neuen Schauspielern im Kopf schmiedete er immer neue Pläne, bis er 16 Jahre später mit komplett neuer Crew und Besetzung sich wieder an die Arbeit machte. Das klingt abenteuerlich und könnte ein gutes Zeichen sein, da lange Produktionsprozesse ein Werk oft reifen lassen. Doch Terry-Gilliam-Filme strotzen seit jeher von absurden Ideen und wilden, witzigen Einfällen. Ihnen ist auch das Spiel mit verschiedenen Realitätsebenen nicht fremd. In „The Man Who Killed Don Quixote“ aber beginnt das, was andernorts noch genial funktionierte, ins Bodenlose zu trudeln. Denn als Toby in Los Sueños ankommt, findet er die einstige Idylle in Folge seines Films zerstört. Der Darsteller des Sancho Panza ist tot; Angelica, die als 15-jährige Wirtstochter damals die Dulcinea spielte, verdingt sich heute als Escort-Dame. Und der betagte Schuster Javier, dem Toby den Part des Don Quixote anvertraute, hat aus dieser Rolle nicht mehr herausgefunden. Er geistert als leibhaftiger Ritter von trauriger Gestalt durch die Welt; Jonathan Pryce spielt den vom Wahn gezeichneten Don-Quixote-Darsteller mit viel Gespür für melancholische Absurdität, aber auch mit großer Würde. Toby trifft den verwirrten Javier bei einer Live-Performance in einer Hütte wieder. Javier erkennt ihn nicht, sondern glaubt den auferstandenen Sancho Panza vor sich zu haben. Ob aus Schuldgefühlen heraus, oder weil er ein Genie, Kindskopf und Künstler ist, kann es Toby nicht lassen, für Javier den Sancho Panza zu mimen. Auch die Verfolgung durch seine Auftraggeber und, nach dem ersten gewonnenen Duell des tatendurstigen „Ritters“, durch die Polizei spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Spätestens ab diesem Moment beginnt „The Man Who Killed Don Quixote“ die Reihe der Verwechslungen und Verschiebungen aber ad absurdum zu führen. In einzelnen Szenen ist dieser Film, der streng genommen gar keine Don-Quixote-Verfilmung, sondern in vielen Momenten eine visuell großartige Persiflage auf den Cervantes-Roman ist, ein köstliches, (selbst-)ironisches Film-im-Film-Werk. Doch auf Dauer überhebt der Film sich an seiner überambitionierten dramatischen Konstruktion und an der Überfülle absurder Einfälle und grotesker Ideen, von denen manche – wie etwa die unter ihrem Schleier Vollbart tragenden muslimischen Klageweiber – an sich so witzig gar nicht sind.
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