Drama | Deutschland 2016 | 87 Minuten

Regie: Luise Brinkmann

In einem abgelegenen Ort in der Uckermark hängt eine Frau Anfang 30 gedankenvoll einer verlorenen Beziehung nach, während sie ein leerstehendes Haus zu einem neuen Lebens- und Kulturraum umbaut und sich mit den Lebensveränderungen ihrer unerwartet angereisten Mutter konfrontiert sieht. Eine sommerlich entrückte, leichtfüßig und mitunter improvisierte Beschreibung von Menschen, die beim Lieben, Leiden und endlosen Gesprächen um sich selbst kreisen. Mit geringem technischem Aufwand inszeniert, lebt der Film von seiner Leidenschaft für sein freies, darstellerisch vorzüglich umgesetztes Erzählkonzept und vermittelt dabei ein hohes Maß an Authentizität und echten Gefühlen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
ifs internationale filmschule köln
Regie
Luise Brinkmann
Buch
Luise Brinkmann
Kamera
Mathis Hanspach
Musik
Nadja Rüdebusch · Eike Swoboda
Schnitt
Maren Unterburger
Darsteller
Lana Cooper (Kerstin) · Saskia Vester (Charlotte) · Till Wonka (Thomas) · Aleksandar Radenkovic (Paul) · Christin Nichols (Maya)
Länge
87 Minuten
Kinostart
27.04.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Eine Entdeckung: Luise Brinkmanns Liebesfilm voller echter Gefühle

Diskussion
Irgendwo in der Uckermark. Junge Menschen kreisen um sich selbst – und um das Monster Liebe, das Kerstin mit Haut und Haaren verschluckt und dann plötzlich ausgespuckt hat. Zurück in eine Welt, in der es Thomas nicht mehr gibt, der sich auf und davon gemacht hat. Was geblieben ist, sind die Erinnerungen: Huckepack durch den Sommerwald, Rumlümmeln im Gras, Planschen am See und Küssen, Küssen, Küssen. Das Glück von gestern. Kerstin klammert sich daran, damit es ihr nicht auch noch abhandenkommt. Was macht man bloß, wenn die Liebe plötzlich weg ist? Man kann wie Kerstin verharren, warten, dass die alte zurückkehrt oder eine neue vorbeikommt. Man kann jedem vorbeifahrenden Zug hinterherbrüllen, er möge doch bitte anhalten, auf den Gleisen liegend ein „Komm zurück!“ schluchzen oder voller Wut Zement an die Wand spachteln. Oder man kann einen Film machen wie Luise Brinkmann, die mitten im größten Verlassen-worden-Sein ihre Abschlussarbeit an der Filmschule Köln realisierte. Herausgekommen ist dabei „Beat Beat Heart“, eine Romanze über das Glück und das Leid der Liebenden, eine leichtfüßige Abhandlung darüber, was die Menschen im Anderen suchen und finden, und wie man loslässt und (über)lebt, allein oder zu zweit. Die Bilder sind sommerlich entrückt – so wie Kerstin, diese unverhohlene An-die-große-Liebe-Glaubende, die mit der rothaarigen Maya ein Haus auf dem Lande bezogen hat. Noch liegt der Schutt herum, sind die Wände unverputzt, aber eines Tages soll es beider Landlusttraum und ein kleines Kino beherbergen. Nebenan wohnen Franzi und Paul, der schon mal anpackt und mit Kerstin Balken wegkarrt, was von seiner Freundin misstrauisch beäugt wird. Dieses Bullerbü für moderne Thirtysomethings wird aufgemischt, als Kerstins Mutter Charlotte unangemeldet mit einem Koffer vor der Tür steht. Ein Überraschungsbesuch, sagt sie. In Wahrheit sucht sie Zuflucht, hat sie sich doch – aus Versehen – von ihrem langjährigen Partner Roman getrennt. Dass ihre Mutter Roman dasselbe angetan hat wie Thomas ihr, ist für Kerstin kaum zu ertragen. Noch weniger, dass Charlotte auf Anraten von Maya, die mal mit diesem, mal mit jenem ins Bett geht und überhaupt davon überzeugt ist, dass Sehnsucht unfrei macht, über eine Dating-App Männerbekanntschaften sucht und fündig wird. So werden die verschiedenen Positionen ausgelotet, einige finden sich, andere trennen sich. Was ist das eigentlich, die Liebe? Manchmal packt einen die Ungeduld, wenn man diesen Großstädtern auf dem Lande beim Lieben, Leiden und Labern zuschaut. Genug mit dem Kreisen um sich selbst, fernab jeglicher gesellschaftlicher Realität und ökonomischer Zwänge! Genug mit Sätzen, die mitunter wie Statusmeldungen klingen! Doch zugleich wirkt „Beat Beat Heart“ völlig unverstellt. Statt Pathos erkennt man hier echte Gefühle und damit eine ungeheure Authentizität – typisch für die Filme des jungen deutschen (und bislang ziemlich männlich geprägten) Mumblecore-Kinos, das auf kleine Budgets, geringen technischen Aufwand, Improvisation und freie Erzählkonzepte setzt. Mit Lana Cooper, die 2013 in „Love Steaks“ (fd 42 290) von Jakob Lass brillierte, findet der Film ein starkes Zentrum, denn sie kann alles, das verliebte Mädchen im Blümchenkleid genauso wie die rotzige Tochter in Arbeiterhosen. Sie stiehlt dabei niemandem die Schau, weder Saskia Vester als blond verstrubbelter Mutter Charlotte noch Christin Nichols als sexfreudiger Maya, die plötzlich nicht mehr auftaucht, nachdem sie Charlotte auf einen neuen Weg geschubst hat. „Beat Beat Heart“ erzählt viele Geschichten, wie die von Charlotte, die mit Mitte 50 staunend neue Freiheiten erkundet, oder die der von der Liebe mitgenommenen Kerstin, die festhalten will, was sie loslassen sollte, und deshalb später auch keine Liebesfilme in ihrem Kino zeigen will. Stattdessen: „Action, Splatter, Psychothriller“ und „Blut, ganz viel Blut!“ Aber wahrscheinlich wird sie ihre Meinung zum Filmprogramm noch ebenso ändern wie zum Thema Liebe. „Beat Beat Heart“ zumindest würde gut in ihr kleines Dorfkino passen – und in jedes andere Kino sowieso.
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