Liebesfilm | USA/Spanien/Rumänien/Deutschland/Kanada/Äthiopien 2014 | 90 Minuten

Regie: Andy Siege

Während der italienischen Besetzung Abessiniens gerät die Zivilbesetzung Mitte der 1930-Jahre zwischen die Fronten. Nach traumatischen Erfahrungen flieht eine junge Frau zu ihrem Großvater, findet Schutz aber erst bei einem Wesen aus einer anderen Welt. Zwischen beiden entwickelt sich eine Symbiose aus Schutz und Schutzbedürftigkeit, Stärke und Schwäche, Lebensweisheit und Unschuld. Mit überbordender Kreativität und erfrischend experimentellem Umgang erzählt das Regiedebüt kurzweilig und vielschichtig von den Bedrohungen, die Frauen in Kriegs- und Krisengebieten ausgesetzt sind. Dabei finden afrikanische Erzählmuster und fantastische Archetypen auch inhaltlich zueinander. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BETI AND AMARE
Produktionsland
USA/Spanien/Rumänien/Deutschland/Kanada/Äthiopien
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
FunDeMental Studios/Kalulu Ent.
Regie
Andy Siege
Buch
Andy Siege
Kamera
Andy Siege
Musik
Levin Kaerchner · Alula Araya
Schnitt
Andy Siege
Darsteller
Hiwot Asres (Beti) · Pascal Dawson (Amare) · Atrsaw Wisenbet (Großvater) · Biniam Kore (Reiter) · Yonas An Kidane (2. Reiter)
Länge
90 Minuten
Kinostart
14.04.2016
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Liebesfilm | Science-Fiction
Externe Links
IMDb | TMDB

Erfrischendes Regiedebüt von Andy Siege, das mit großer experimenteller Erzählfreude vom Schicksal einer traumatisierten Frau während des Abessinien-Krieges Mitte der 1930er-Jahre in Äthiopien handelt.

Diskussion
Die Landschaft wirkt unendlich, der Wind streicht über die baumlosen Wiesen. Eine dunkelhäutige Frau im weißen Gewand hebt eine Blume auf. Sie ist rot; die Landschaft und die junge Frau aber sind schwarz-weiß. Bewaffnete Reiter nähern sich, die junge Frau schnürt ängstlich ihr Kopftuch enger. „Das Leben ist nicht nur Schwarz-weiß, das Leben hat Farben“, spricht sie sich später selbst Mut zu. Mit geradezu onirischen, im besten Sinne surrealen Bildern erzählt „Beti und Amare“ von den vielfältigen Bedrohungen und tödlichen Gefahren, denen Frauen in Kriegs- und Krisengebieten ausgesetzt sind. Die Inszenierung zeichnet sich dabei durch einen erfrischend experimentellen Umgang mit Farbe, Perspektive und Korn aus, aber auch mit unterschiedlichen Genre-Elementen bis hin zum historischen Wochenschaumaterial. „Beti und Amare“ führt zurück in das Jahr 1936. Das faschistische Italien überzieht Abessinien mit einem brutalen Krieg. Die Zivilbevölkerung wird zwischen lokalem Widerstand und den italienischen Aggressoren zerrieben; die ersten Opfer sind nicht die Kämpfer, sondern Unschuldige. Beti hat Grausames erlebt; sie verdrängt ihre traumatischen Erinnerungen aber durch eine blühende Fantasie. Zunächst kommt sie bei ihrem blinden Großvater unter. Ein Nachbar möchte das Mädchen mit seinem Sohn verheiraten. Der Großvater weicht aus, will den Mann aber nicht beleidigen. Als die Ziege stirbt, wandert der Alte in die entlegene Stadt, um eine neue Ziege zu kaufen. Beti bleibt alleine in der Hütte zurück. Rasch nähern sich Gefahren, gewaltbereite italienische Piloten und abessinische Reiter. Da fällt eine Feuerkugel vom Himmel und platzt direkt in die Wasserstelle. In den Trümmern der Metallkugel findet Beti einen jungen Mann, nackt und mit eigenartigen Wolfszähnen. Ein Wesen aus einer anderen Welt, aber doch wie ein Mensch. Beti nennt ihn Amare. Zwischen beiden entwickelt sich eine Symbiose aus Schutz und Schutzbedürftigkeit, Stärke und Schwäche, aus Lebensweisheit und Unschuld. „Beti und Amare“ ist eine echte Erfrischung für alle, die den konventionellen Historienfilm mit seinem musealen Realismus, dem lächerlichen Echtheitsversprechen bis ins letzte Marmeladenglas, seinem gigantischen Uniformen- und Fahrzeugverschleiß sowie den trübsinnig-hölzernen Dialogen satthaben. In seinem Regiedebüt verblüfft Andy Siege hingegen durch eine überbordende Kreativität, die bekannte filmische Mittel effektiv variiert: den Wechsel von Schwarz-Weiß und Farbe, monochrom eingefärbte Traumsequenzen oder verzerrt-verfremdete Farben und Tönen. Die Inszenierung zieht alle Register des Experimentalfilms, spielt aber auch mit unterschiedlichen Erzähl- und Genre-Traditionen: Science-Fiction-Elemente, nächtliche Sternenhimmel und glühende Feuerbälle sowie die Gewalt des Krieges verschmelzen mit den Explosionen des Kosmos. Auch inhaltlich verwebt die Geschichte afrikanische Erzählmuster und fantastische Archetypen wie etwa die Sage vom Wolfsmensch, der die Feinde des Mädchens zur Strecke bringt. Selbst die Musik greift den vibrierenden Brückenschlag zwischen afrikanischen und europäischen Motiven auf. Bei all dem vermittelt der Film eine Zeitlosigkeit zwischen Traum und Wirklichkeit. Mit geringem Etat, aber extremer Freude am Experiment ist dem in Afrika geborenen deutschen Regisseur Andy Siege ein ebenso kurzweiliges wie vielschichtiges Debüt gelungen.
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