Conny Plank - The Potential of Noise

Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 92 Minuten

Regie: Reto Caduff

30 Jahre nach dem Tod des einflussreichen Musikproduzenten Konrad „Conny“ Plank (1940-1987), der in den 1970er- und 1980er-Jahren entscheidend den Sound von Kraut- und Deutschrock mitprägte, begibt sich sein Sohn auf die Spuren der Legende. Das mit viel Archivmaterial unterlegte Road Movie führt vom Studio bei Köln nach London, Atlanta und Los Angeles und zeichnet über Gespräche mit musikalischen Weggefährten Planks Leben nach. Das bietet Raum für etliche überraschende Anekdoten, insgesamt aber bleibt die Konzentration auf Huldigungen doch eher einseitig. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Sugar Town Filmprod./Seneschall Film/Cine Plus Filmprod./WDR
Regie
Reto Caduff · Stephan Plank
Buch
Reto Caduff · Stephan Plank · Ziska Riemann
Kamera
Frank Griebe · Roman Schauerte
Schnitt
Maxine Goedicke
Länge
92 Minuten
Kinostart
28.09.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm | Musikdokumentation
Externe Links
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Dokumentarisches Loblied auf den Musikproduzenten Konrad „Conny“ Plank (1940-1987)

Diskussion
Es beginnt mit Bildern aus Tokio, Mitte der 1980er-Jahre. Die Kamera begleitet Conny Plank auf einem Streifzug durch labyrinthische Räume voller klingelnder und piepsender Daddelmaschinen. Plank nimmt die Geräusche dieser Maschinen mit einem Tonband auf und versucht später, daraus Musik zu machen. Jeder Ton, so Plank, habe das Potential, Musik zu werden, sofern sich ein Mensch finde, der dieses Geräusch mag. Als der Musikproduzent Konrad „Conny“ Plank 1987 im Alter von 47 Jahren an Lungenkrebs starb, war sein Sohn Stephan gerade erst 13 Jahre alt, hatte aber seine Kindheit in Gegenwart internationaler Popstars verbracht, die ihm als Freunde seines Vaters erschienen. Sie gingen in „Conny’s Studio“, einem umgebauten Bauernhof in der Nähe von Köln, ein und aus: zunächst die Krautrocker und „kosmischen Kuriere“ der 1970er-Jahre wie Kraftwerk, Cluster, La Düsseldorf, Holger Czukay oder Michael Rother, später dann auch Brian Eno und New Wave-Größen wie Devo, Ultravox, die Eurythmics oder auch DAF, Gianna Nannini und Heinz-Rudolf Kunze. 25 Jahre nach dem Tod des Vaters macht sich der Sohn zusammen mit dem Schweizer Filmemacher Reto Caduff auf, um der Person hinter der Legende, die er als „Phantom“-Vater erlebt hat, auf die Schliche zu kommen – und zwar in Gestalt einer chronologischen Abfolge von Planks Arbeiten. Bevor Plank sein eigenes Studio auf dem Land eröffnete, hatte er bereits mit Kraftwerk und Neu! Musikgeschichte geschrieben. Das Studio in Wolperath, Symbol der erworbenen Unabhängigkeit, wurde von Musikern nicht nur wegen der Abgeschiedenheit und familiären Atmosphäre geschätzt, sondern auch, weil Plank sich auf eine Weise in die Produktion einbrachte, dass der Sound der Bands „authentisch“ und wiedererkennbar blieb, aber der Einfluss des Produzenten trotzdem hörbar war. Wenn auf einer ganzen Reihe von Lieblingsalben unterschiedlicher Musiker stets derselbe Produzenten-Name stehe, müsse das ja wohl etwas bedeuten, resümiert Daniel Miller von „Mute Records“, der sich den Arbeiten von Plank als Fan näherte. Nur was? Es mutet paradox an, hinter die Fassade einer Legende blicken zu wollen, indem man bekannte oder ehemals bekannte Musiker vor die Kamera holt, damit sie Anekdoten über ihre Zusammenarbeit mit Plank erzählen, zumal das Gegenüber, der längst erwachsene Sohn, als Kind ja integraler Teil der Erinnerungen an die jeweilige (Arbeits-)Zeit in Wolperath ist. Hermeneutisch stößt ein solches Konzept schnell an Grenzen, weil Tautologien mit Händen zu greifen sind. Aber als nicht ganz konventionelle Musikdokumentation, die zugleich eine Spurensuche ins Ungefähre ist, kann „Conny Plank – The Potential of Noise“ einiges in die Waagschale werfen. Der Film ist ein mit viel guter Popmusik unterlegtes Road Movie, das Stephan Plank auf Recherchen in London, Atlanta oder Los Angeles zeigt. Dazu kommt viel Archivmaterial: teils Bekanntes wie die Ausschnitte einer Live-Performance von Neu!, teils Überraschendes wie die Home Movies aus dem Hause Plank, die den Produzenten bei der Arbeit oder in der Freizeit auf der Schaukel zeigen. Plus die Begegnung von Pop-Legenden wie Kraftwerk, Neu! oder DAF mit Überraschungsgästen wie den Scorpions, Gianna Nannini und fast Vergessenen wie Freur oder Dave Stewart. Dazu kommen allerlei Anekdoten, etwa dass Plank durchaus wählerisch war, wenn es um Aufträge ging. U2 oder David Bowie, die irgendwann auch in Wolperath vorsprachen, wurden von Plank abgewiesen. Das ist eine der bekannten Einschränkungen von Oral History, wenn Musiker, die mit Planks Unterstützung ihre Karriere starteten, etwas nostalgisch ein Hohelied auf den Produzenten singen. So steht hier am Ende immer das Gelingen, selbst wenn im Falle von DAF dem Interview zwei Tage mit konzeptionellen Gesprächen vorausgingen. Was erzählt die eigentümliche Karriere von Conny Plank über die Geschichte des Krautrock? Glaubt man dem Film, dann hat sich Plank eindeutig von antikapitalistischen und antiautoritären Impulsen leiten lassen. Ästhetisch zielte er auf einen entschiedenen Bruch mit den Konventionen afro-amerikanischer Popmusik, die nicht länger nachgeahmt werden durfte, wenn Musik mit Relevanz herauskommen sollte. Was bei einer solchen Argumentation allerdings gerne verdrängt wird, ist die Tatsache, dass Conny Plank eben nicht nur innovativen Avantgarde-Pop produzierte, sondern eben auch die Platten von Bläck Fööss, Zupfgeigenhansel, der Old Merrytale Jazzband, Knut Kiesewetter, Heinz Rudolf Kunze und A Flock of Seagulls. Was für U2 die Tatsache, dass es mit Conny Plank nicht klappte, gewiss nicht leichter verdaulich macht!
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