Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki

Biopic | Finnland/Schweden/Deutschland 2016 | 93 Minuten

Regie: Juho Kuosmanen

Ein talentierter finnischer Boxer soll 1962 zum nationalen Shooting-Star aufgebaut werden und gegen den amtierenden Weltmeister antreten. Dazu verordnet ihm sein Manager eine Rosskur, bestehend aus intensivem Training, Gewichtsverlust und PR-Auftritten, doch der gelernte Bäcker ist frisch verliebt und in Gedanken meist bei seiner Freundin. Ein vorzüglich fotografiertes, zudem umwerfend lebensnah gespieltes Boxerdrama, das die üblichen maskulinen Gewaltexzesse der Sportart zugunsten seines wortkargen Anti-Helden vernachlässigt. Zugleich entwirft die märchenhafte filmische Kostbarkeit mit viel Jazz und lakonischem Humor ein optimistisches Stimmungsbild der Epoche. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
HYMYILEVÄ MIES
Produktionsland
Finnland/Schweden/Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Aamu Film Co./One Two Films/Tre Vänner Prod./Film Väst
Regie
Juho Kuosmanen
Buch
Mikko Myllylahti · Juho Kuosmanen
Kamera
Jani-Petteri Passi
Musik
Laura Airola · Joonas Haavisto · Miika Snåre
Schnitt
Jussi Rautaniemi
Darsteller
Jarkko Lahti (Olli Mäki) · Oona Airola (Raija Jänkä) · Eero Milonoff (Elis Ask) · Joanna Haartti (Laila Ask) · Esko Barquero (Snadi)
Länge
93 Minuten
Kinostart
05.01.2017
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Biopic | Tragikomödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Camino (16:9, 1.78:1, DD5.1 fin./dt.)
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Ein finnischer Boxer soll 1962 den amtierenden Weltmeister schlagen, doch der Sportler ist frisch verliebt und hat andere Dinge als das Training im Kopf.

Diskussion

Wenn der finnische Boxer Olli Mäki von seinem harten Training genug hat, nutzt er beim Dauerlauf im Wald die Gelegenheit, um einen Winddrachen steigen zu lassen. Der gelernte Bäcker mutiert dann zu einem ausgelassenen Kind und ist endlich befreit von den Erwartungen, die Trainer, Sponsoren und Journalisten an ihn herantragen.

Der vom Land kommende Olli Mäki soll 1962 den Weltmeistertitel holen. Dafür muss er in kürzester Zeit Gewicht verlieren, was zu einer Tortur aus exzessiven Saunabesuchen, erzwungenem Erbrechen und schlichtem Hungern eskaliert. Er muss Interviews geben und für Werbekampagnen zur Verfügung stehen. Ein Kamerateam folgt ihm auf Schritt und Tritt, um seine Trainingsfortschritte zu dokumentieren. Dabei ist der junge Hoffnungsträger gerade frisch verliebt und wünscht sich nichts sehnlicher als mit seiner Raija Fahrradtouren zu unternehmen und im Duett Steine über die Seeoberfläche zu werfen.

Dass er sich auf sein Ziel, dem amtierenden Weltmeister aus den USA den Titel abzujagen, nur schwer konzentrieren kann, ist nicht zu übersehen. Olli Mäki schwänzt Termine, zeigt wenig Interesse an guten Ratschlägen und ist zunehmend gereizt von dem Rummel um seine Person, mit der viele ihr eigenes Geschäft machen wollen. Im entscheidenden Moment verlässt ihn die Motivation.

Boxerdrama ohne Gewaltexzesse

Wie Martin Scoseses „Wie ein wilder Stier“ ist auch dieses wunderschön fotografierte und umwerfend lebensnah gespielte Boxerdrama von Juho Kuosmanen in Schwarz-Weiß gedreht. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Klassiker kommt der finnische Film aber gänzlich ohne maskuline Gewaltexzesse aus und verzichtet auch auf jede Verehrung von durchsetzungsfähigen Sportlerheroen.

Olli Mäki wirkt von Anfang an deplatziert in dem Sportzirkus. Wenn er als harter Knochen posieren soll, kichert er minutenlang seine Verlegenheit weg. Statt in der Anerkennung seines männlichen Umfelds zu baden, hält er ständig Ausschau nach seiner Freundin, mit der er herumalbernd und den omnipräsenten Leistungsdruck vergessen kann. Er ist ein sympathisch wortkarger Anti-Held und dabei doch auch eine reale Figur der Sportgeschichte, die heute als 80-jähriger Titelgeber in Finnland lebt.

Eindeutige Antwort

Die mit reichlich Jazz unterlegte märchenhafte Preziose wirkt beinahe wie ein optischer Zwilling des polnischen Dramas „Ida“ von Paweł Pawlikowski, der es ebenfalls leichtfüßig schaffte, einen Zeitgeist in unterkühlte und gleichzeitig kunstvoll komponierte „Doku-Bilder“ zu transferieren. Nur dass die finnische Variante mit ihrem lakonischen Humor ein gänzlich anderes, nämlich optimistisches Stimmungsbild der Epoche zeichnet.

Mit der erwiderten Liebe lässt sich jeder noch so deprimierende Lebenskampf überstehen, so die Botschaft. Was ist schon Geld und öffentlicher Ruhm, wenn im Privaten die Einsamkeit jede Lebensfreude raubt? In Finnland fällt die Antwort auf diese Gewissenfrage offenbar eindeutig aus.

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