Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 95 Minuten

Regie: Tristan Ferland Milewski

Dokumentarfilm über eine Kreuzfahrt von Lissabon zu den Kanarischen Inseln, an der ausschließlich homosexuelle Männer teilnehmen, die eine Woche lange Sonne, Meer und scheinbar grenzenloser Freiheit huldigen. Fünf Porträts unterschiedlicher Männer zeichnen ein breites Spektrum homosexueller Lebenswirklichkeit, legen aber auch die Widersprüche und Zwänge der Schwulenszene offen. Freilich kratzt der Film nur an der Oberfläche, zumal er neben Interviews kaum mehr als Party-Totalen in Zeitlupe und Kamerafahrten durch ein Spalier in Matrosenunterwäsche aufgereihter Männer kennt. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Gebrüder Beetz Filmprod./ZDF
Regie
Tristan Ferland Milewski
Buch
Tristan Ferland Milewski
Kamera
Jörg Junge · Jakob Stark
Musik
My Name is Claude
Schnitt
Markus CM Schmidt
Länge
95 Minuten
Kinostart
06.07.2017
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Dokumentarfilm über eine Kreuzfahrt schwuler Männer von Lissabon zu den Kanarischen Inseln

Diskussion
Fast 3.000 homosexuelle Männer stechen einmal im Jahr auf dem „Dream Boat“ in See. Der Dokumentarfilmer Tristan Ferland Milewski begleitet ihre Kreuzfahrt von Lissabon zu den Kanarischen Inseln und präsentiert die Schiffsfahrer mit den obligatorischen Party-Zeitlupen in schrillen Fetisch-Outfits und knappen, sorgsam ausgebeulten Höschen ausgelassen tanzend. Ein einziges rauschendes Fest, könnte man denken. Endlich einmal müssen sich die Männer, die von überall aus der Welt an Bord kommen, nicht verstecken. Nach einer Woche aber ist es wieder vorbei mit Sonne, Meer und scheinbar grenzenloser Freiheit. Nach Motto-Partys, Drag-Queen-Abenden und High-Heels-Wettrennen droht wieder der triste Alltag. Derweil träumt einer der Passagiere von einer Insel voller schwuler Männer, einer Art „Dream Boat“ vor Anker, 365 Tage im Jahr. Was für die einen wie das Paradies auf Erden klingt, hört sich für die anderen nach einer blanken Horrorvorstellung an. Der Film liefert Argumente für beide Seiten. Milewski konzentriert er sich auf fünf Männer. Der durchtrainiert Pole Marek, Mitte 20, ist auf der Suche nach der großen Liebe und hadert mit der oberflächlichen Sex-Fixiertheit in der Gay-Community. Dipankar aus Indien, der, Anfang 30, knapp einer arrangierten Ehe entging, genießt es, sich einmal nicht verstecken zu müssen. Mittlerweile lebt er in Dubai, aus Angst vor einer Gefängnisstrafe hat er sich bislang noch nicht geoutet. Auf dem Schiff weichte seine Erleichterung schnell quälender Ernüchterung, weil er mit seiner kleinen, unsportlichen Statur so gar nicht dem Schönheitsideal der „Dream Boat“-Partys entspricht. Plötzlich fühlt er sich auf der vermeintlichen Traumreise so einsam wie nie zuvor in seinem Leben. Philippe, Ende 40, kommt aus Frankreich und sitzt seit zwei Jahrzehnten im Rollstuhl. Begleitet wird er von seinem langjährigen Partner. Eher wehmütig betrachtet Philippe den Jahrmarkt der Eitelkeiten mit dem Gefühl, nicht mehr dazuzugehören. Ramzi, Anfang 30, ist wegen seiner Homosexualität aus Palästina nach Belgien geflüchtet. Sein belgischer Partner hat eine erfolgreiche Krebstherapie hinter sich. Gemeinsam mit ihm möchte er nach langer Zeit wieder seine Familie in Palästina besuchen. Martin schließlich, Anfang 40, Fotograf aus Österreich, erlebt auf dem „Dream Boat“ eine unbeschwerte Zeit. Daraus, dass er HIV-positiv ist, macht er schon lange kein Geheimnis mehr. Mit der Auswahl der Protagonisten wollte der Regisseur ein möglichst breites Spektrum homosexueller Lebenswirklichkeiten abdecken. Ein schwules Leben in der Nussschale ist der Film dennoch nicht. Das liegt schon allein daran, dass all die Homosexuellen außen vor bleiben, die nie freiwillig an einer solchen Kreuzfahrt teilnehmen würden. Der Film konzentriert sich wohl auch deshalb zunehmend auf Marek und Dipankar, die den Widerspruch zwischen der Befreiung aus Genderrollen und gesellschaftlichen Zwängen und der Tyrannei eines unerbittlichen Körperkults in der Schwulenszene am deutlichsten zum Ausdruck bringen. Auf dem „Dream Boat“, stellt Dipankar resigniert fest, achten die Leute nur auf zwei Dinge: einen „guten Schwanz“ und einen „knackigen Arsch“, der Rest sei egal. Wenn man damit nicht punkten kann, habe man es schwer. Auch Marek zieht sich mitunter in eine stille Ecke zurück, weil er es satthat, wie eine „Fick-Ware“ behandelt zu werden. Er möchte einfach nur als Mensch geliebt werden. In der Regel löst der Film solche Widersprüche freilich nicht auf. Traum und Albtraum wabern nebeneinander über das Boot. Visuell fällt ihm dazu kaum mehr ein, als mit der Kamera durch ein Spalier aus in Matrosenunterwäsche aufgereihten Männern hindurchzugleiten und zwischen Party-Totalen in Slow Motion und halbnahen Interviews zu wechseln. Großartig sind allein die Aufnahmen, in denen das Schiff aus der Vogelperspektive eingefangen wird: ein distanzierter Blick auf die fahrende Miniaturwelt als ein über das Meer treibendes Sammelsurium unterschiedlichster Schicksale. Doch der Film kratzt nur ein wenig an der Oberfläche. Das genügt dem Regisseur auf Dauer selbst nicht ganz, weshalb er auf eine finale Katharsis zusteuert. Die aber geben der Film und die Reise schlicht nicht her.
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