Revolution of Sound - Tangerine Dream

Musikdokumentation | Deutschland 2017 | 86 Minuten

Regie: Margarete Kreuzer

Die Berliner Psychedelic-Formation und Kultband Tangerine Dream leistete seit 1967 Pionierarbeit im Bereich der elektronischen Musik. Die Dokumentation zeichnet den Aufstieg der Musiker nach und konzentriert sich vor allem auf den Band-Gründer Edgar Froese (1944-2015), was zu einem höchst einseitigen Zugang führt, der keine kritischen Anmerkungen oder musikhistorischen Reflexionen zulässt. In seiner lückenhaften Annäherung wenig informativ, greift der Film auch formal zu nur wenig überzeugenden Mitteln. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Tag/Traum Filmprod./Eastgate Music & Arts/WDR/arte/rbb
Regie
Margarete Kreuzer
Buch
Margarete Kreuzer
Kamera
Jaron Henrie-McCrea · Henning Brümmer · Klaus Sturm
Schnitt
Volker Gehrke · Lukas Schmid
Länge
86 Minuten
Kinostart
07.09.2017
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Musikdokumentation
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Dokumentation über den Aufstieg der Berliner Psychedelic-Formation Tangerine Dream mit Konzentration auf den Bandgründer Edgar Froese

Diskussion
Die Berliner Psychedelic-Formation Tangerine Dream, 1967 gegründet vom Keyboarder Edgar Froese, gehört retrospektivzu den Pionieren der elektronischen Musik aus Deutschland. Ihr internationales Renomeé wird heutzutage wohl nur noch von Kraftwerk und Can übertroffen. Neben Klaus Schulze, der in der Frühphase auch als Drummer der Band fungierte, Ash Ra Tempel und Kluster (resp. Cluster) widmeten sich die Exponenten der so genannten Berliner Schule früh ihrem Entwurf einer „Kosmischen Musik“. Seltsam, dass die Band mit wachsendem Erfolg in den USA hierzulande etwas aus dem Blick geriet und jetzt, einige Jahre nach Froeses Tod, wiederentdeckt wird. Ob allerdings Margarete Kreuzers etwas arg unkritisch geratenes Porträt für ein Tangerine-Dream-Revival taugt, muss bezweifelt werden. Obschon die Filmemacherin nach eigener Aussage Mitte der 1980er-Jahre auch vom Sound der Tangerine Dream ins Subkultur-Paradies West-Berlin gelockt wurde, kam es erst zu einem ersten persönlichen Kontakt mit Froese, als sie zu einer David-Bowie-Geschichte recherchierte. Über die Jahre entwickelte sich ein kontinuierlicher Kontakt, der dazu führte, dass die Filmemacherin posthum Zugang zum umfangreichen filmischen und fotografischen Nachlass Froeses bekam, da jener offenbar systematisch seinen Alltag zu dokumentieren pflegte. Leider ein Danaergeschenk. Die Filmemacherin versteht ihr Band-Porträt vorrangig als Hommage an Edgar Froese, den sie als „mehr als hochintelligent“ charakterisiert. Was dazu führt, dass neben allerlei Archivmaterial, einigen Band-Kollegen und befreundeten Musikern wie Jean-Michel Jarre oder Brian May nur noch Freunde, Familie und der unvermeidliche Jim Rakete zu Wort kommen. So bietet die filmische Hagiografie wesentlich eine durch keinerlei musikhistorische Reflexion oder kulturkritische Anmerkung angekränkelte Innenansicht der Band-Geschichte, die chronologisch und affirmativ aufgerollt wird. Interessant sind die Anfänge allerdings schon, denn Froese hatte auch vor Tangerine Dream schon eine Beat-Band, pflegte Kontakte in die Kunstszene und war Teil der Berliner Szene um das legendäre West-Berliner „Zodiak Free Arts Lab“. Mit Alben wie „Electronic Meditation“, „Alpha Centauri“, „Zeit“ und „Atem“ entwickelte sich Tangerine Dream binnen kurzer Zeit von einer Free-Rock-Band mit Avantgarde-Touch zum Synthesizer-Trio, für das sich nicht nur „Virgin“-Gründer Richard Branson begeisterte, auf dessen Label die wichtigsten Alben von Tangerine Dream erscheinen sollten. Wobei zumindest in Kreuzers Dokumentation die Frage ungeklärt bleibt, wie die Band ihren erstaunlichen Maschinenpark an Equipment überhaupt finanzierte. Immerhin: Die nächsten Karriere-Stationen werden brav abgehakt und mit privatem Archivmaterial unterfüttert, wobei die sich auftuenden Lücken beredter sind als der Film selbst. Zwei Beispiele: Legendär ist das Konzert von Tangerine Dream in der Kathedrale zu Reims im Dezember 1974, das eben nicht nur 6.000 begeisterte Fans, sondern auch ein beschädigtes Gebäude zurückließ, weil man die Toiletten vergessen hatte. 1977 entdeckte Hollywood in Gestalt von William Friedkin („Atemlos vor Angst“, (fd 20 735)) und Michael Mann („Thief – Der Einzelgänger“, (fd 23 107)) das Potenzial der Band für Filmmusik. In Folge lieferte Tangerine Dream in diversen, immer wieder wechselnden Besetzungen Soundtracks für Filme von Paul Brickman, Ridley Scott und Kathryn Bigelow, mutierte aber in den folgenden Jahrzehnten durch Einbezug von weiteren Instrumentalisten zu einer Art New-Age-Band in weißen Kostümen. Auch hier glänzt der Film mit Lücken. Friedkin war offenbar nicht an einer Mitwirkung interessiert, weshalb erste Kontakte in die USA nicht etwa analytisch aufbereitet, sondern mit albernen Pool-Bildern illustriert werden. Aufschlussreich dann wieder ein Interview mit Michael Mann, während die Gründe für die zahlreichen Umbesetzungen der Band nicht weiter thematisiert werden. Lustig immerhin ein Ausschnitt aus dem obskuren Pohland-Film „Warum die UFOs unseren Salat klauen“ (1980), in dem Edgar Froese in Strumpfhosen einen Außerirdischen spielt. Margarete Kreuzer hat nach eigener Aussage Edgar Froese längere Zeit mit der Kamera begleitet, doch nur wenige Bilder finden in den Film, weil Froese 2013 bei einem Sturz schwere Kopfverletzungen und einen Kieferbruch erlitt und mit schweren Artikulationsproblemen zu kämpfen hatte. Weil die Filmemacherin „die Legende Edgar Froese nicht zerstören“ wollte, entschloss sie sich, stattdessen Texte aus Froeses Autobiografie aus dem Off von Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten) einsprechen zu lassen. Doch Hacke ist kein professioneller Sprecher, und die ausgewählten Texte sind in ihrer Kürze zumeist lapidar. Auch dies eine Schwäche einer Musikdokumentation, die geflissentlich ignoriert, dass es Gründe dafür gab, sich Tangerine Dream in den 1970er-Jahren auch ironisch zu nähern, wenn es darum ging, sich mit dem Auftreten der Musiker auseinanderzusetzen.
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