What Our Fathers Did: A Nazi Legacy

Dokumentarfilm | Großbritannien/Österreich/Polen/Ukraine 2015 | 92 Minuten

Regie: David Evans

Der englische Menschenrechtsanwalt Philippe Sands reist als Enkel eines Holocaust-Überlebenden auf den Spuren der Shoah durch die Ukraine. Begleitet wird er von zwei betagten Männern, Söhne hochrangiger NS-Täter, die zu den Verbrechen ihrer Väter konträre Haltungen einnehmen. Während Niklas Frank das Schreckensregiment des Generalgouverneurs Hans Frank demonstrativ verurteilt, will Horst von Wächter die Untaten des Juristen Otto Wächter nicht anerkennen. Auch in der unmittelbaren Konfrontation mit den Schreckensorten oder eindeutigen Dokumenten hält er an seiner Überzeugung fest. Zwischen die Diskussionen und Ortsbegehungen des Trios ist historisches Archivmaterial montiert. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
WHAT OUR FATHERS DID: A NAZI LEGACY
Produktionsland
Großbritannien/Österreich/Polen/Ukraine
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Wildgaze Films
Regie
David Evans
Buch
Philippe Sands
Kamera
Sam Hardy · Philipp Blaubach · Matt Gray
Musik
Malcolm Lindsay
Schnitt
David Charap
Länge
92 Minuten
Kinostart
14.09.2017
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Mit den Söhnen zweier hochrangiger NS-Verbrecher unterwegs zu den Orten der Shoah. Dokumentarfilm

Diskussion
Diesen Film muss man aushalten wollen! Zwei ältere Herren, beide Jahrgang 1939, Söhne hochrangiger NS-Täter, seit Kindertagen miteinander bekannt und jetzt, entgegen aller Widersprüche im Politischen, auch persönlich befreundet, werden vor laufender Kamera miteinander konfrontiert. Es gibt Redebedarf –mindestens seit 1945. Niklas Frank, Sohn des Generalgouverneurs Hans Frank im besetzten Polen, hat demonstrativ und betont provokant mit seinem im Nürnberger Prozess zum Tode verurteilten und hingerichteten Vater gebrochen. Mit der viel diskutierten Veröffentlichung seines Buches „Der Vater. Eine Abrechnung“ (1987) hat er eine Art multimediales Geschäftsmodell in Sachen stellvertretender Familien-Schuld-Exorzismus entwickelt. Er trägt ständig ein Bild seines hingerichteten Vaters bei sich, um sich über dessen Tod zu vergewissern. Ganz anders Horst von Wächter, Sohn des Juristen und österreichischen SS-Gruppenführers Otto Wächter. Der war Gouverneur des Distrikts Galizien und Stellvertreter von Frank, schaffte es nach der Kapitulation aber auf der Rattenlinie Richtung Vatikan, wo er unter falschem Namen 1949 starb, ohne je zur Rechenschaft gezwungen worden zu sein. Horst von Wächter trägt ein Bild seines Vaters im Herzen und hält es erklärtermaßen für seine Sohnespflicht, sein Andenken als eines ehrenhaften Mannes zu pflegen und zu bewahren. Ohne damit provozieren zu wollen, spricht von Wächter offen davon, dass für ihn persönlich mit dem Kriegsende auch die Normalität endete. Dritter in Bunde in diesem abgründigen Road Movie ist der britische Menschenrechtsanwalt Philippe Sands (Jahrgang 1960), Enkel eines Holocaust-Überlebenden, dessen Familie in den Massengräbern um Lwiw (Lemberg) in der Ukraine verschwand, ermordet von ukrainischen Hilfspolizisten, die ihre Befehle und ihren Sold von Otto Wächter bekamen. Gemeinsam begeben sich diese drei Männer auf eine Reise durch Europa an Orte, die in deren Biografien entscheidende Rollen spielten. Dabei geht es immer wieder darum, Otto von Wächter durch Konfrontation mit Orten oder Dokumenten dazu zu bewegen, sich endlich einzugestehen, dass auch sein Vater ein Massenmörder gewesen ist. Doch von Wächter ist bockig – und zugleich äußerst erfahren im Umgang mit derlei Zumutungen. Was auch immer Sands und Frank an evidentem Material vorlegen, stets reagiert von Wächter ruhig, aber durchaus bestimmt und verlangt unzweifelhafte Beweise für eine konkrete Täterschaft oder Verantwortung seines Vaters. Mal fehlt eine Unterschrift unter einem Dokument, mal war es opportun, öffentlich nicht auszuscheren und mitzutun. Von Wächters Hadern mit dem Undisputierbaren wäre in anderen Zusammenhängen wohl grotesk zu nennen, zumal die Einschätzung seines Vaters auf Kindheitserinnerungen fußt. Nicht weniger grotesk, aber mehr dem Common sense und der Haltung des Films verhaftet, mutet der entnazifizierende Furor von Niklas Frank an, der seinen Vater immer wieder „re-enacted“ – und sei es in der Todeszelle. Weil das Road Movie diskursiv nicht so recht von der Stelle kommt, behilft sich der Film zum Finale in der Ukraine schließlich damit, dass Horst von Wächter in einen rechten Kontext gerückt wird, da er auf einem Treffen ukrainischer Neo-Nazis, die gerne in SS-Totenkopf-Uniformen neben Kübelwagen posieren, voller Respekt begrüßt wird. Hier findet sich schließlich ein Ort, an dem sich das Engagement des Vaters mit der Einschätzung des Sohnes problemlos synchronisieren lässt. Wenn man den Holocaust denn als Nebenwiderspruch der NS-Geschichte im Osten zu begreifen beharrt.
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