Amerikanisches Idyll

Drama | USA 2016 | 109 Minuten

Regie: Ewan McGregor

Familien- und Gesellschaftsporträt aus der bürgerlichen Mittelschicht der USA in den 1950er- und 1960er-Jahren: Der Sohn eines jüdischen Handschuhfabrikanten heiratet seine Jugendliebe, übernimmt die Firma und wird Vater einer Tochter, die sich als Teenager politisch zu radikalisieren beginnt. Als sie nach einem Bombenattentat spurlos verschwindet, steht die Ehe der Eltern vor einer Zerreißprobe. Die Verfilmung des Romans von Philip Roth besticht durch die Beschreibung der existenziellen Krise des Vaters, streift die in der Vorlage dominanten Beschreibungen der gesellschaftlichen Veränderungen aber nur am Rand. Das auf die großartigen Schauspieler konzentrierte Regiedebüt versetzt durch Ausstattung und Kostüme dennoch glaubwürdig in eine vergangene Epoche. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
AMERICAN PASTORAL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Lakeshore Ent.
Regie
Ewan McGregor
Buch
John Romano
Kamera
Martin Ruhe
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Melissa Kent
Darsteller
Ewan McGregor (Seymour "Der Schwede" Levov) · Jennifer Connelly (Dawn) · Dakota Fanning (Merry Levov) · Peter Riegert (Lou Levov) · Rupert Evans (Jerry Levov)
Länge
109 Minuten
Kinostart
17.11.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Packendes Familiendrama nach einem Roman von Philip Roth. Regiedebüt von Ewan McGregor. Mit ihm und Jennifer Connelly in den Hauptrollen.

Diskussion
Amerika in den 1950er-Jahren. Seymour Levov, Sohn eines jüdischen Lederhandschuh-Fabrikanten in Newark, fällt alles nur so zu. An der Highschool ist er eine umjubelte Sportskanone. Wegen seines guten Aussehens und der blonden, streng zur Seite gescheitelten Haare wird er nur der „Schwede“ genannt; die Mädchenherzen fliegen ihm nur so zu. Selbstverständlich heiratet er das schönste Mädchen der Stadt, obwohl es katholisch ist: Dawn, die überdies auch noch zur „Miss New Jersey“ gekürt wurde. Einige Jahre später hat Seymour die Firma übernommen und ist Vater einer reizenden Tochter namens Merry. Gemeinsam lebt die Familie in einem großzügigen Landhaus in Old Rimrock. Das perfekte Idyll, doch man ahnt, dass sich hinter dem Filmtitel eine Unsicherheit verbirgt. Nicht nur, dass Merry stottert; sie entwickelt sich zu einem widerspenstigen Teenager und setzt sich immer mehr gegen die Liebe ihrer Eltern und deren bürgerlichen Lebensentwurf zur Wehr. Es ist das Ende der 1960er-Jahre, mit Rassenunruhen, Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und der Studentenrevolte. Merry radikalisiert sich zunehmend und schließt sich einer militanten Gruppe an. Im Postamt von Old Rimrock geht eine Bombe hoch, ein Mensch stirbt, Merry aber ist wie vom Erdboden verschluckt. War sie an dem Anschlag beteiligt? Seymour und Dawn wollen das nicht glauben. Trotzdem geraten sie in die Mühlen der polizeilichen Ermittlungen. Schlimmer aber ist, dass Merry verschwunden bleibt. Für die Eltern beginnt ein Albtraum, der sie immer mehr voneinander entfernt. „Amerikanisches Idyll“ beruht auf dem gleichnamigen Buch von Philip Roth, der 1997 als Teil der „Zuckerman“-Romane erschien und mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Zuckerman ist eine Art Alter ego von Philipp Roth. Die Zuckerman-Figur ahmt die Karriere des Schriftstellers nach und beschreibt vor allem das Milieu jüdisch-amerikanischer Mittelschichtsfamilien. In der Rahmenhandlung des Films, die „Amerikanisches Idyll“ als große Rückblende ausweist, fungiert Zuckerman, dargestellt von David Strathairn, als Erzähler. Allerdings ist die von Roth detailliert ausgemalte Rahmenhandlung nur unzureichend mit der eigentlichen Geschichte verknüpft; der gelegentliche Off-Kommentar Zuckermans muss deshalb als Scharnier herhalten. Die große Stärke des Romans liegt in der Beschreibung der gesellschaftlichen Veränderungen und ihrer Auswirkungen auf den Einzelnen. Die Schilderung der sozialen Ordnung und die Geschichten ums private Glück werden parallel geführt, beide stets grundiert vom Versprechen auf Wohlstand, aber auch der Gefahr, dass der amerikanische Traum platzen könnte. Regiedebütant Ewan McGregor, der auch den Vater spielt, und Drehbuchautor John Romano gelingt es nicht immer, die Essenz des Romans auf die Leinwand zu übertragen. Einige emblematische Bilder, etwa die Selbstverbrennung des vietnamesischen Mönches im Juni 1963, müssen reichen, um Merrys Radikalisierung zu motivieren. Im Vordergrund der Inszenierung steht die fast schon kriminalistische Suche eines Vaters nach seiner Tochter und die gravierenden Auswirkungen, die ihr plötzliches Verschwinden auf das Zusammenleben der Eltern hat. Während Seymour geradezu manisch am Gedanken an seine Tochter festhält, will Dawn einfach ihr Leben zurück. Ihre Verzweiflung versteckt sie hinter einer Maske aus abweisender Härte. Jennifer Connelly stellt diese radikale Veränderung, von der bezaubernden, selbstbewussten Schönheitskönigin zur verbitterten Frau, perfekt dar. Zu einem Kabinettstück wird ihr Wortgefecht mit Peter Riegert, der Seymours streng jüdischen Vater spielt. Auch Ewan McGregor verkörpert bewunderungswürdig die existenzielle Krise, die ihn zum Handeln zwingt. Das macht „Amerikanisches Idyll“ vor allem zu einem Schauspielerfilm, weil man den Figuren, auch der Irrationalität Merrys, dadurch stets glaubt. Großes Augenmerk wird dabei auch auf die Wiederbelebung der 1950er- und 1960er-Jahre gelegt. Ausstattung und Kostüme versetzen den Zuschauer in eine andere Zeit, die Kamera von Martin Ruhe ordnet sich kongenial den Absichten der Inszenierung unter: Die lichtdurchfluteten, farbenfrohen Bilder des Beginn werden mit den wechselnden Stationen von Seymours Biografie dunkler und entsättigter. Man ahnt: Ein Happy End kann es hier nicht geben.
Kommentar verfassen

Kommentieren