Baden Baden - Glück aus dem Baumarkt?

Tragikomödie | Belgien/Frankreich 2016 | 99 Minuten

Regie: Rachel Lang

Eine junge Frau lässt sich durchs Leben treiben. Als ihr Job als Assistentin bei einer Filmproduktion endet, fährt sie zu ihrer Großmutter nach Straßburg und will deren Badewanne durch eine Dusche ersetzen. Eine anspielungsreiche, subtil schwarz-humorige Tragikomödie, die dem Treibenlassen der Protagonistin mit streng komponierten Bildern begegnet, die zwischen Nahaufnahmen und tableauartigen Einstellungen wechseln. Unangestrengt fließen Dramatik und Humor ineinander, wobei sich in das metaphorische Porträt eines zu Ende gehenden Sommers auch Architektur und Bildende Kunst als eigene Subtexte einschreiben. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BADEN BADEN
Produktionsland
Belgien/Frankreich
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Tarantula Belgique/ChevalDeuxTrois/RTBF
Regie
Rachel Lang
Buch
Rachel Lang
Kamera
Fiona Braillon
Schnitt
Sophie Vercruysse
Darsteller
Salomé Richard (Ana) · Claude Gensac (Großmutter) · Lazare Gousseau (Grégoire) · Swann Arlaud (Simon) · Olivier Chantreau (Boris)
Länge
99 Minuten
Kinostart
29.12.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Eine junge Frau lässt sich treiben und wird darüber erwachsen. Ein vielversprechendes Spielfilmdebüt von Rachel Lang.

Diskussion
Ihr Ex-Freund Boris, ein prätentiöser Videokünstler, schwafelt im Radio pseudointellektuell über Fiktion und Realität. Ana bereitet gerade das Essen in der Küche ihrer Großmutter. In dem Moment, als Boris im Radiomonolog rhetorisch fragt, warum die Realität nie stark genug sei, warum immer etwas fehle, stellt Ana ihrer Oma einen Teller hin: „Hier, Bohnen mit Butter.“ Da fehlt doch was? Oder etwa nicht? „Baden-Baden“ ist das Langfilmdebüt der französischen Regisseurin Rachel Lang (Jahrgang 1984), die wie ihre Antiheldin Ana in Straßburg geboren wurde. Um Ana ging es schon in Langs zwei vorausgegangenen Kurzfilmen. „Baden-Baden“ ist der Abschluss einer „Coming of Age“-Trilogie. Der Titel stellt den Hang der Regisseurin zu Anspielungen und subtil schwarzem Humor unter Beweis. Vordergründiger Hauptplot ist nämlich der Einbau einer Dusche anstelle einer Badewanne in die Wohnung ihrer Großmutter, wozu die Mittzwanzigerin Ana verschiedene „Experten“ anheuert: einen jungen Bauarbeiter und einen nicht sehr fähigen Baumarktmitarbeiter, mit dem es sehr witzige Alltags-Slapstick-Szenen gibt. Die Stadt Baden-Baden wird einmal erwähnt, zu Beginn, in einem ironischen Dialog über großmütterliche Wasserspiele. Oma und Enkelin teilen denselben Galgenhumor. Wenn die Großmutter aber über ihr Älterwerden reflektiert oder auf ihre Gebrechen und ihren nicht mehr ganz so fernen Tod humorvoll zu sprechen kommt, dann hört Ana lieber weg. Am Anfang wird Ana angebrüllt. Sie arbeitet als Fahrerin bei einer Filmproduktion in Belgien und kommt mit der Hauptdarstellerin zu spät zum Set. Sie habe sich verfahren, sagt sie. Immer wieder sprechen die Menschen um Ana herum sie auf ihre Ziellosigkeit an. Was sie denn wolle, oder dass sie schon noch etwas finden würde, was zu ihr passt. Nur will sie das vielleicht gar nicht, jedenfalls nicht jetzt. Den Druck kann sie überhaupt nicht gebrauchen. Auch deshalb setzt sie sich kurzerhand in den gemieteten Porsche und fährt mit ihm, statt ihn zurückzugeben, in ihre Heimatstadt Straßburg. Die Regisseurin und ihre Kamerafrau Fiona Braillon kontrastieren Anas Mäandern mit streng kadrierten Bildern. Nahaufnahmen wie Stilleben alternieren mit tableauartigen Einstellungen. Eine Ausnahme bildet eine kurze Tagtraumsequenz, in der Boris und Ana – Adam und Eva – nackt durch einen Regenwald laufen. Hier fährt die Kamera. Architektur und Kunst sind als Einflüsse deutlich zu spüren (die Schwester der Regisseurin ist Architektin, ihr Vater Maler und Bildhauer); sie spielen eine eigene Rolle, schreiben sich als eigener Subtext ein. Die letzte Szene spielt im Angesicht von Le Corbusiers berühmter Kathedrale Notre-Dame-Du-Haut de Ronchamp. Lang erzählt episodisch leicht, eine Tragikomödie, wobei Drama und Humor tatsächlich ganz unangestrengt ineinanderfließen. Es entsteht das Stimmungsbild eines Sommers, der ein Ende markiert und den Beginn von etwas Neuem. Aufregend ist die Frauenfigur, welche die Regisseurin und ihre Hauptdarstellerin Salomé Richard gemeinsam kreieren: gerade weil sie aufs Schönste realistisch abweicht von den Frauengestalten, die an sich selbst und den Männern leiden und im Kino immer noch häufig zu sehen sind. Die zierliche, androgyne Ana mäandert; sie ist aber keinesfalls verzweifelt, sondern stark, unabhängig, sexuell selbstbestimmt. Zu den Bohnen mit Butter am Beginn des Films ergänzt Ana noch: „Ein Klassiker, kein Risiko.“ Hier fehlt einfach gar nichts.
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