Dokumentarfilm | Österreich 2014 | 94 Minuten

Regie: Johannes Holzhausen

Dokumentarfilm über das Kunsthistorische Museum in Wien, der im chronistischen Stil des amerikanischen Dokumentaristen Frederick Wiseman die „Kunstkammer Wiens“ einem erfrischend unkonventionellen Blick unterzieht. Von den Restaurierungswerkstätten bis zum Marketing oder dem Besucherdienst wird der weitgefächerte Arbeitsalltag hinter der Institution sichtbar, wobei der humorvolle Film durch seine lakonische Bildsprache teilweise bewusst auf kuriose Momente hin inszeniert ist. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik filmfriend

Filmdaten

Originaltitel
DAS GROSSE MUSEUM
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Navigatorfilm
Regie
Johannes Holzhausen
Buch
Johannes Holzhausen · Constantin Wulff
Kamera
Joerg Burger · Attila Boa
Schnitt
Dieter Pichler
Länge
94 Minuten
Kinostart
16.10.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
In seiner Kulturkritik nannte der Philosoph Theodor Adorno Museen einmal „Erbbegräbnisse von Kunstwerken“. In Johannes Holzhausens „Das große Museum“ gibt es durchaus Momente, in denen das Morbide zutage tritt. Etwa, wenn sich Restauratoren den Spuren und den Ursachen des Verfalls widmen. In einer Szene wird eine abgespannte Leinwand akribisch auf Schädlingsbefall untersucht; später werden die Käfer, die sich unter die Malschicht gefressen haben, unter einem Mikroskop analysiert. Auch die Beute von Mottenfallen ist Gegenstand regelmäßiger Kontrollen, was nicht der Komik entbehrt („Falle neun Nord: sechs Kleidermotten“); einmal sieht man, wie sich eine Restauratorin mit der Präzision einer Schönheitschirurgin an die Aufbesserung eines Eisbärenfells macht. Der Analogie von Museum und Mausoleum mag man sich dennoch nicht ganz anschließen: Das Wiener Kunsthistorische Museum, das Holzhausen in seinem Film auf den verschiedensten institutionellen Ebenen dokumentiert, von der Geschäftsleitung über die Restaurierungsstätten bis hin zu den wissenschaftlichen Abteilungen, ist vor allem ein Ort der Arbeit – und der Repräsentation. Nie hat man das Gefühl, dass die Kunstwerke ruhen. Ständig werden Bilder abgehängt und umgehängt, andere aus den Magazinen geholt, werden Vitrinen geputzt, Räume renoviert und am Marketing herumgefeilt. „Das große Museum“ steht in der Tradition der Institutionen-Porträts von Frederick Wiseman. Es gibt weder Off-Kommentare noch Interviews. Holzhausen hat das Kunsthistorische Museum über einen Zeitraum von zwei Jahren mit der Kamera besucht und zwar in der Endphase des mehr als zehnjährigen Neugestaltungs- und Sanierungsprozesses, die mit der Wiedereröffnung der „Kunstkammer Wien“ endete. Dass er in dieser Umbruchphase nahezu uneingeschränkten Zugang zu allen Abteilungen bekommen hat, ist für den Film ein großes Glück. Holzhausen ist sowohl bei repräsentativen wie internen Anlässen präsent: bei Besuchen von Politikern, dem Direktor des Britischen Museums, aber auch bei der Verabschiedung eines langjährigen Mitarbeiters. Und er ist Zeuge, wie sich das Museum als unter Druck stehender Kulturdienstleistungsapparat repräsentationspolitisch neu positioniert: So wird die Schatzkammer um das Attribut „kaiserlich“ erweitert, weil das für den Tourismus angeblich förderlich sein soll. Überhaupt scheint die Fixierung auf die Habsburger recht eingefahren zu sein. Wie ein deutscher Mitarbeiter einmal bemerkt, hing in Schröders Präsidentenkanzlei wenigstens ein Adler von Baselitz, in Wien dagegen noch immer „Maria Theresia mit vier Söhnen“. „Das große Museum“ ist aber auch ein humorvoller Film. Das liegt einerseits an der Natur der Sache; es kommen so bizarre Artefakte vor wie zwei fechtende Frösche; die Akribie und Hingabe, mit der man sich winzigen Details widmet, kippt oft ins Komische, andererseits aber auch an Holzhausens lakonischem Blick. Mitunter hätte der Film jedoch ein wenig mehr Beiläufigkeit (oder Strenge) vertragen können. Manche Beobachtung wirkt etwas zu stark auf einen kuriosen Moment hin zugespitzt, wenn etwa ein auf einem Tisch ausgebreitetes Eisbärenfell in einem Lastenaufzug befördert wird und die Kamera das wie einen Transport in den OP ins Bild rückt. Auf der Ebene der Geschäftsleitung ist eine so stilisierte Inszenierung freilich nicht möglich; hier auch hat der Film seine besten Momente. Einmal führt der kaufmännische Geschäftsführer eine Mitarbeiterin unangenehm patronisierend vor, weil sie für einen Plakatentwurf eine unpassende Typografie gewählt hat – „Der 3er schaut so bissig aus“. Ein Blick auf die „unteren“ Ränge des institutionellen Betriebs macht dann aber deutlich, dass das Museum nicht nur ein Ort der Expertinnen und Experten oder der Bewahrung von Geschichte, sondern auch einer der ganz alltäglichen Dienstleistung ist. In einer berührenden Szene beschwert sich eine Mitarbeiterin des Besucherdiensts bei einer Versammlung über die Ignoranz ihrer Vorgesetzten: Sie arbeite nun schon elf Jahre im Museum, sei aber noch nie jemandem aus einer anderen Abteilung vorgestellt worden.
Kommentar verfassen

Kommentieren