Das Land der Erleuchteten

Dokumentarfilm | Belgien/Irland/Niederlande/Deutschland/Afghanistan 2016 | 87 Minuten

Regie: Pieter-Jan De Pue

Visuell und akustisch wuchtige Semi-Dokumentation über heranwachsende Jungen in Afghanistan, die mit Kriegsschrott und Sprengstoff handeln oder Opium-Karawanen überfallen. Der auf 16mm gedrehte Film schildert das Leid von bald fünf Jahrzehnten Kriegszustand aus der Perspektive der männlichen Jugend zwischen zwölf und 15, wobei magische Landschaftspanoramen mit Mythen und Szenen wechseln, in denen die Protagonisten sich selbst spielen. Ein ambitionierter, dabei durchaus ambivalenter Grenzgang über Strategien afghanischer Heranwachsenden, das Überleben zu sichern. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE LAND OF THE ENLIGHTENED
Produktionsland
Belgien/Irland/Niederlande/Deutschland/Afghanistan
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Savage Film/Fastnet Films/Gebrüder Beetz Filmprod./Submarine/ZDF/arte/Canvas/IKON/Eyeworks/Telenet Prime/Sciapode
Regie
Pieter-Jan De Pue
Buch
Pieter-Jan De Pue · David Dusa
Kamera
Pieter-Jan De Pue
Musik
Denis Clohessy
Schnitt
David Dusa · Stijn Deconinck
Länge
87 Minuten
Kinostart
08.12.2016
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Semidokumentarischer Film über Jugendliche in Afghanistan

Diskussion
Eine berückend schöne, verschneite Hochgebirgslandschaft. Bunte Gebetsfahnen flattern im Wind, ein einzelnes rotes Tuch schwebt in Zeitlupe davon. Zu diesen magischen Bildern erzählt eine Stimme im Off die Legende von der Genese Afghanistans. Demnach soll Gott bei der Aufteilung der Erde unter den Völkern die Afghanen zunächst vergessen haben. Als er seinen Fehler bemerkte, gab er ihnen zur Entschuldigung jenen Landstrich, den er eigentlich als Garten für sich selbst behalten wollte. Dieser göttliche Garten befindet sich allerdings seit mehr als einem halben Jahrhundert im Kriegszustand. 30 Jahre sowjetische Besatzung, danach die Schreckensherrschaft der Taliban und schließlich die als Befreier einmarschierten Militärs westlicher Mächte, die dem Land jedoch auch keinen Frieden brachten. Der Film erzählt das Leid der Bevölkerung aus der Perspektive von durchweg männlichen Kindern, alle zwischen zwölf und 15 Jahre alt. Sie, die das Land nur im Kriegszustand kennen, haben zwangsweise Strategien entwickelt, um das eigene (Über-)Leben zu sichern. Manche sammeln Granathülsen und schlachten zurückgelassene Militärfahrzeuge aus, um das Metall zu verkaufen. Andere graben unter Lebensgefahr Landminen aus und verhökern den Sprengstoff an andere Kinder, die damit den blauen Edelstein Lapislazuli in unterirdischen Stollen sprengen. Und dann ist da auch noch eine Bande von Teenagern, die sich darauf spezialisiert hat, im Pamir-Gebirge mit vorgehaltenen Kalaschnikows Karawanen zu überfallen, die Waffen und vor allem Opium über die nahen Grenzen schmuggeln. Die Gang hat einen Anführer namens Gholam Nasir. Ein Junge, der sich wie alle anderen Protagonisten selbst spielt. Denn der erste Langfilm des belgischen Fotografen Pieter-Jan De Pue ist eine eigenwillige Mixtur aus Spiel- und Dokumentarfilm, wobei sich die unterschiedlichen Elemente kaum auseinanderhalten lassen. Rein dokumentarisch sind letztlich nur die imposanten Landschaftstotalen, die eine tragende Rolle spielen. Wenn die Kinder aber einen bewaffneten Überfall auf eine Karawane ausführen, ist klar, dass Täter und Opfer hier Szenen nachstellen, die aus ihrer Alltagserfahrung stammen, auch wenn sie in der Wirklichkeit vermutlich kaum je so abgelaufen sein dürften. Warum sollten sich erwachsene und sicherlich auch bewaffnete Mitglieder einer Karawane kampflos einer zahlenmäßig unterlegenen Gruppe von Kindern ergeben? Vor diesem Hintergrund fragt man sich unwillkürlich, was an dem zweiten Erzählstrang, in dem sich amerikanische und afghanische Soldaten von ihrem Stützpunkt in den Bergen Feuergefechte mit einem unsichtbaren Feind liefern, dokumentarisch und was fiktiv ist? Jenseits aller Genre-Fragen eröffnet der in einem Zeitraum von sieben Jahren auf 16mm gedrehte Film, der immer wieder Sequenzen mit kontrastiver Musik von Bach bis Pink Floyd unterlegt, fraglos eine neue Perspektive auf das Leid der Afghanen. Anderseits stellt sich die Frage, ob der Film mit seinen magischen Geschichten und Panoramen je gedreht worden wäre, wenn das gebeutelte Land die Topografie von Holland besäße.
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