Dokumentarfilm | Großbritannien 2013 | 99 Minuten

Regie: Hamish Hamilton

Ausgehend von der Multi-Media-Ausstellung „David Bowie is“ zeichnet der Dokumentarfilm die Karriere des britischen Musikers nach. Bowies wechselnde Identitäten und seine Einflüsse von den Expressionisten über Andy Warhol bis Stanley Kubrick nehmen dabei eine ebenso große Rolle ein wie seine Würdigung als kreativer Texter, einflussreicher Sänger und Mit-Designer von Bühnen-Outfits. Ein lohnendes Dokument, das sich als Teil von Bowies medienwirksam inszenierten Comeback lesen lässt und ihn auf der Höhe der heutigen Zeit präsentiert. - Ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
DAVID BOWIE IS HAPPENING NOW
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Done and Dusted
Regie
Hamish Hamilton · Katy Mullan
Buch
Philip Kerr
Schnitt
Michael Green · Justin Norris
Länge
99 Minuten
Kinostart
20.11.2014
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Man sollte David Bowie nicht vorschnell abschreiben! Selbst schwächere Songs aus den 1980er-Jahren wie „Modern Love“ entfaltet noch hinreißende Wirkung, wenn das Lied wie in „Frances Ha“ (fd 41 835) zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt wird. Während die sehr erfolgreiche Multi-Media-Show „David Bowie Is“ nach den Stationen London und Berlin mittlerweile in Chicago gastiert, kann man im Kino jetzt noch einmal die Einladung zu einer kommentierten Führung durch die Ausstellungsräume des Londoner Victoria and Albert Museums annehmen. Es lohnt sich, denn bekanntlich hatten die Kuratoren Zugriff auf Bowies private Archive. Deren Reichtum macht auch deutlich, dass Bowie bei seiner vielschichtigen Inszenierung als Popstar und Identitäten-Sammler nichts dem Zufall überließ, weshalb die Erzählung hier auch mit schwarz-weißen Filmdokumenten des Babys David Robert Jones beginnt. Schon der Titel der Ausstellung offenbart, das es hier weniger darum geht, sich einen analytischen Reim auf das künstlerische Chamäleon David Bowie zu machen, sondern vielmehr darum, die wechselnden Identitäten dieser sehr speziellen Karriere staunend zu begleiten und zu würdigen. Im Film ist das nicht anders: Wenn es um frühe musikalische Einflüsse geht, bekommt man einen Kurzauftritt von Little Richard gezeigt. Die musikalischen Gehversuche vor der LP „Space Oddity“, die auch schon von einigem Eigensinn zwischen Popsong und Vaudeville geprägt sind, tauchen nur am Rande auf, verkürzt auf ein paar Fotos und Plattencover. Anschließend schöpfen Ausstellung wie Film aber aus dem Vollen, denn von jetzt an sind die Inszenierungen von David Bowie als „Major Tom“, „Starman“, Ziggy Stardust, Aladdin Sane oder „The Thin White Duke“ bestens dokumentiert. Die Ausstellungsmacher erzählen von ihrer Konzeption; Besucher wie der Mode-Designer Kansai Yamamoto oder der Ex-Pulp-Frontmann Jarvis Cocker halten kurze Referate und kolportieren Anekdoten. Punkt für Punkt werden die Karriereschritte illustriert und abgehakt: die wichtigen frühen Jahre, als Bowies androgynes Erscheinungsbild bei einer ganzen Generation existentielle Fragen mit neuen Antworten konfrontierte und viele Biografien nachhaltig beeinflusste, die „Berliner Jahre“ mit ihren musikalischen Experimenten, deren Resultat – die Album-Trilogie „Low“, „Heroes“ und – verspätet -„Lodger“ – bisweilen für den popmusikalischen Höhepunkt der 1970er -Jahre gehalten werden. Bowie revolutionierte zwischen 1969 und 1978 die Pop-Musik nachhaltig und machte sie tendenziell zu einer Form von Konzeptkunst. Ein Jahrzehnt lang bewies Bowie ein untrügliches Gespür für jeden seiner Karriereschritte, entwarf und kontrollierte mit großem Aufwand die gewählte Persona und zählte damit zur den einflussreichsten Künstlern der 1970er-Jahre, zumal er auch in Kinofilmen wie „Der Mann, der vom Himmel fiel“ (fd 19 925), „Begierde“ (fd 24 050) oder „Die Reise ins Labyrinth“ (fd 25 942) in Erscheinung trat. Als Leitmotiv jener Jahre zitieren Ausstellung wie Film den Künstler selbst: „All art is unstable. It’s meaning is not necessarily that implied by the author. There is no authoritative voice. There are only multiple readings.“ Für Literaturwissenschaftler eine Binse, in der Popmusik aber eine Revolution. Der Film schreitet die Räume der Ausstellung ab, fängt das Staunen der Besucher über Bowies kindliche Handschrift ein, staunt über die von Bowie (mit-)konzipierten Bühnenoutfits, präsentiert den kreativen Texter, der die Sprache zum Arbeiten bringt, dokumentiert Foto-Sessions, zeigt Bühnenmodelle, Musikinstrumente, Plattencover und erinnert an die Quellen, aus denen Bowie schöpfte: die Expressionisten, Pantomime, Warhol, Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ (fd 15 732) und „Uhrwerk Orange“ (fd 17 806). Ab Mitte der 1980er-Jahre verlor Bowie den Faden, veröffentlichte Halbgares und zog sich nach einem Herzinfarkt für Jahre aus der Öffentlichkeit zurück. 2013 überraschte er dann mit einem medienwirksam inszenierten Comeback-Album und dem selbstironischen und leicht nostalgischen Videoclip „The Stars are out tonight“. Denkt man die internationale „Blockbuster Exhibition“ „David Bowie Is“ und diesen Kino-Führer hinzu, dann ist Bowie, ein älterer Herr von inzwischen XX Jahren, gerade wieder sehr „da“, multimedial und auf der Höhe der Zeit. Obwohl er dafür nicht persönlich in Erscheinung treten muss.
Kommentar verfassen

Kommentieren