Dear Zindagi - Liebesbrief an das Leben

Bollywood-Film | Indien 2016 | 150 Minuten

Regie: Gauri Shinde

Eine junge Kamerafrau flieht nach einer unglücklichen Affäre zu ihren Eltern nach Goa, wo sie mit den traditionellen Lebensvorstellungen in Konflikt gerät. Ein Psychotherapeut soll ihr helfen, sich ihren Tabus und verdrängten Ängsten zu stellen. Bollywood-Melodram um eine Frau, die zwischen modernem Lebensstil und herkömmlichen Erwartungen ihren eigenen Weg findet, als Plädoyer für einen unverkrampften Umgang mit psychischen Leiden und ihrer Behandlung. Komödiantische Aufhellungen, postkartenschöne Schauplätze und pointierte Song-and-Dance-Nummern federn dabei die ernsten Themen ab. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DEAR ZINDAGI
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Dharma Prod./Hope Prod./Red Chillies Ent.
Regie
Gauri Shinde
Buch
Gauri Shinde
Kamera
Laxman Utekar
Musik
Amit Trivedi
Schnitt
Hemanti Sarkar
Darsteller
Shah Rukh Khan (Jahangir Khan) · Alia Bhatt (Kaira) · Kunal Kapoor (Raghuvendra) · Aditya Roy Kapoor (Möbelhändler) · Ali Zafar (Rumi)
Länge
150 Minuten
Kinostart
01.12.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Bollywood-Film | Liebesfilm | Melodram
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
REM (16:9, 2.35:1, DD5.1 Hindi/dt.)
Verleih Blu-ray
REM (16:9, 2.35:1, dts-HDMA Hindi/dt.)
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Indische Kamerafrau findet in der Bollywood-Ikone Shah Rukh Khan einen älteren Psychotherapeuten, der ihr hilft, ihre kindlichen Traumata zu überwinden.

Diskussion
In Mumbay wird ein Werbefilm gedreht. Kaira steht vor der Skyline und filmt. Der jungen Kamerafrau winkt eine glänzende Karriere in einer Männerdomäne. Doch sie hat ihr Gleichgewicht im Leben noch nicht richtig gefunden. Denn trotz ihres Traumberufs ist sie nicht glücklich; beruflich möchte sie größere Aufgaben übernehmen, privat ist sie unausgeglichen. Auf ihre Freunde kann sie sich zwar verlassen, doch ihre Eltern nerven sie, und in der Liebe sieht es eher chaotisch aus. Kaira beendet ihre Beziehungen immer schnell, bevor sich etwas Dauerhaftes daraus entwickeln könnte. Als sie der attraktive Produzent ihres aktuellen Films nach einer nächtlichen Affäre als Kamerafrau mit nach New York nehmen will, erscheint das beruflich wie privat zunächst wie ein Durchbruch, scheitert dann aber daran, dass Kaira nicht so recht weiß, was sie will. Sie weist die Versuche des Mannes, aus der Affäre eine Beziehung zu machen, ziemlich grob zurück, ist dann aber zutiefst traurig, als der Lover sich mit einer anderen verlobt. Da ihr zu diesem Zeitpunkt auch noch ihre Wohnung gekündigt wird, wirft sie alles hin und kehrt nach Goa zurück. Ihre Eltern und Verwandten sind verzweifelt, weil die Tochter immer noch unverheiratet ist: „Bist du eigentlich libanesisch?“, fragt der Onkel. „Lesbisch heißt das“, korrigiert ihn seine Frau, und fragt neugierig, ob beim „Film wirklich alle schwul“ sind. „Ja“, frotzelt Kaira, „alle sind gay“, weswegen es ja auch „Gollywood“ und nicht „Bollywood“ heiße. Die Wende in Kairas Leben kommt, als sie den Psychotherapeuten Jehangir Khan kennenlernt. Der unkonventionellen Querdenker repariert auch Fahrräder und beginnt mit der misstrauischen Kamerafrau eine eigenwillige Behandlung: „Wenn du das Lenkrad deines Lebens nicht selbst in die Hand nimmst, kommt irgendwann ein anderer und setzt sich auf den Fahrersitz“, konfrontiert er sie. Mit Engelsgeduld versucht er, ihre bei aller selbstbewussten Nonkonformität latent vorhandenen Schuldkomplexe zu zerstreuen, nicht dem traditionellen Frauen- und Familienbild zu entsprechen. Es ist ein durchaus modernes Frauenbild, das Regisseurin Gauri Shinde hier profiliert: Kaira ist eine energiegeladene, starke Frau, die gut in ihrem Job ist, weiterkommen will und im Kontakt mit dem anderen Geschlecht äußerst experimentierfreudig ist. Dass sie gerne gutaussehende Männer erobert und ihnen dann ohne Skrupel den Laufpass gibt, erhält Shah Rukh Khan als ihrem Psychotherapeut höchstpersönlich den Segen: schließlich würde man selbst beim Kauf von Stühlen erst ein paar Modelle ausprobieren, bevor man sich entscheidet – warum also dann nicht auch bei einer so wichtigen Wahl wie der des Lebenspartners? Ganz so libertär bleibt es dann aber doch nicht: Mit der Zeit klärt der Therapeut auf, dass die Unwilligkeit der jungen Frau, sich fest zu binden, nicht unbedingt mit Lebenslust zu tun hat, sondern auf ein Trauma ihrer Kindheit zurück geht, das ein tiefes Misstrauen gegen Beziehungen in ihr eingepflanzt hat. „Zingadi“ bedeutet auf Hindi Leben . „Dear Zindagi – Liebesbrief an das Leben“ erzählt von der Selbstverwirklichung einer jungen Frau, die sich von gesellschaftlichen Zwängen befreien will, sich dafür aber zuerst von ihren eigenen verdrängten Ängsten lösen muss. Der Film zeichnet Indien als Land zwischen globalisierter Moderne und archaischen Traditionen, die beispielsweise dort aufblitzen, wo Kaira ihre Wohnung verliert, weil die Hausgemeinschaft künftig keine unverheirateten Frauen dulden will. Der Grundton ist heiter, optimistisch mit idyllischen Bildern vom Strand in Goa sowie diversen, mal energetischen, mal romantischen Gesangseinlagen. Die Inszenierung nimmt die Themen aber durchaus ernst: das Ringen mit Frauen- und Männerbildern, die Rolle der Familie und das zwiespältige Verhältnis zu den Eltern, von denen es sich zu emanzipieren gilt, deren Liebe und Rückhalt aber dennoch ersehnt werden. Die 23-jährige Sängerin Alia Bhatt schafft es als Kaira gut, diese Konflikte transparent zu machen. Ein weiteres Anliegen des Films ist auch die Enttabuisierung psychischer Leiden und ein unverkrampfter Umgang mit Psychotherapie: Dass hier Bollywood-Ikone Shah Rukh Khan einen Therapeuten verkörpert, ist auch ein Statement dafür, schamfrei und offen mit dem Thema umzugehen.
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