Abenteuer | China/Frankreich 2015 | 119 Minuten

Regie: Jean-Jacques Annaud

China 1967, im zweiten Jahr der Kulturrevolution. Zwei Studenten aus Peking sollen den nomadischen Schäfern in der Inneren Mongolei Lesen und Schreiben beibringen, wobei sie Zeugen werden, wie die Nomaden im Einklang mit dem Wolf leben. Dieses Gleichgewicht wird bedroht, als immer mehr Chinesen in der Steppe siedeln und die Wölfe auf Befehl der Regierung ausgerottet werden sollen. Ein atemberaubend fotografierter Abenteuerfilm, der philosophische Fragen ums Menschsein und den Umgang mit der Natur aufwirft und die Tiere mit fast schon menschlichen Eigenschaften zu Hauptdarstellern macht. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
LE DERNIER LOUP
Produktionsland
China/Frankreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
China Film/Repérage/Beijing Forbidden City/Mars Films/Wild Bunch/China Movie Channel/Beijing Phoenix Ent./Chinavision/Groupe Herodiade/Loull Prod.
Regie
Jean-Jacques Annaud
Buch
Alain Godard · Jean-Jacques Annaud · Lu Wei · John Collee
Kamera
Jean-Marie Dreujou
Musik
James Horner
Schnitt
Reynald Bertrand
Darsteller
Feng Shaofeng (Chen Zhen) · Dou Shawn (Yang Ke) · Ankhnyam Ragchaa (Gasma) · Zhusheng Yin (Bao Shunghi) · Zhabu Basen (Bilig)
Länge
119 Minuten
Kinostart
29.10.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Abenteuer | Tierfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Atemberaubend fotografierter Abenteuerfilm von Jean-Jacques Annaud

Diskussion
China 1967, im zweiten Jahr der Kulturrevolution. Die Studenten Chen Zhen und Yang Ke wurden von Peking in die Innere Mongolei geschickt. In der Weite der Steppe, wo sich das Gras bis zum Horizont zu erstrecken scheint, sollen sie den Schäfern Lesen und Schreiben beibringen. Die Absicht der Kommunisten in der fernen Hauptstadt: Bildung soll die Nomaden zur Sesshaftigkeit animieren. Besonders Chen Zhen fühlt sich zunächst fremd in der kargen Einsamkeit, doch der alte Nomade Bilig macht ihn mit der archaischen Lebensweise und den Gesetzen der Steppe vertraut. Im Mittelpunkt steht das austarierte Zusammenleben der Menschen mit dem am meisten gefürchteten Tier, dem Wolf. Immer wieder beobachten die unterschiedlichen Männer die Tiere, wie sie sich sammeln, an ihre Opfer heranpirschen und entschlossen zur Hatz ansetzen. Dabei reißen sie nie mehr Tiere als nötig. Doch immer mehr chinesische Siedler kommen in diese Gegend, das ökologische Gleichgewicht ist ihnen egal, und so stehlen sie die Gazellen, die die Wölfe in einen See getrieben haben. Denn sie wissen, dass er – einmal vereist – wie ein riesiges Tiefkühlfach fungiert. Den hungrigen Tieren bleibt nichts anderes übrig, als die Schafe der Hirten zu reißen. Da kommt von der Regierung der Befehl, die Wölfe auszurotten und auch die kleinen Welpen zu töten. Chen Zhen rettet ein Junges und zieht es heimlich auf, während eine grausame Schlacht mit Sprengfallen und Gewehren beginnt – als sei dies ein Kriegsfeldzug. Auch wenn „Der letzte Wolf“ vor dem Hintergrund der Kulturrevolution, dieser wichtigen Zäsur in der chinesischen Geschichte, spielt, ist dies kein dezidiert politischer Film. Die blutigen Gräueltaten der Roten Garden spart Regisseur Jean-Jacques Annaud aus. Kritik lässt sich vor allem an den chinesischen Siedlern festmachen, die gedankenlos der innermongolischen Bevölkerung den Lebensraum streitig machen und rücksichtslos die Natur ausbeuten. Für die Not der Tiere, für die dramatischen Folgen, die damit einhergehen, sind allein sie verantwortlich. Den Wölfen werden hingegen fast schon menschliche Charakterzüge verliehen. Nicht nur, dass sie sich mit den Menschen auf ungeschriebene Gesetze des Zusammenlebens geeinigt zu haben scheinen – sie reagieren mit Aufkündigung des Pakts auch rachsüchtig. In einer aufregend inszenierten Szene treiben sie chinesische Militärpferde, um die sich die Schafshirten zusätzlich kümmern sollten, vor sich her, bis sie im vereisten See elend verrecken. Dabei begleitet die Kamera in rascher Bewegung das Rudel auf Augenhöhe, um kurz darauf eine Aufsicht des Zusammenspiels der Wölfe zu zeigen – eine perfekte Choreographie des Todes, die mit dem eindringlichsten Bild des Films endet: Wie Skulpturen ragen die toten Pferde, vom Schnee mit kühlem Weiß ummantelt, aus dem Eis heraus, als hätte ein Bildhauer sie geschaffen. Das menschlich anmutende Rachemotiv der Szene schlägt die Brücke zu Annauds Filmen „Der Bär“ (1988; fd 27 385) und „Zwei Brüder“ (2004; fd 36 685), in denen ebenfalls Tiere im Konflikt mit den Menschen standen und sich nur behaupten konnten, weil sie deren Absichten erkannten. Der Dämonisierung des Wolfs, zuletzt in „The Grey – Unter Wölfen“ (2012; fd 41 004) ins Extrem getrieben, stellt Annaud eine forcierte Romantisierung entgegen, die durch James Horners wogenden Score noch gestützt wird. Diese Wölfe sind die letzten ihrer Art. Sie kämpfen buchstäblich ums Überleben.
Kommentar verfassen

Kommentieren