Die kleinste Armee der Welt

Dokumentarfilm | Österreich/Deutschland 2015 | 82 Minuten

Regie: Martin Gerner

Der aus Afghanistan stammende Hamon Tamin, Student der Politikwissenschaft, und sein deutscher Mitstreiter Marcus Hank tingeln mit Kalaschnikow und Turban als das Duo „Bavarian Taliban“ im Dienst der Völkerverständigung durch Süddeutschland. Mal veranstalten sie turbulente Heimatabende, mal überraschen sie in Fußgängerzonen die Passanten. Der unspektakuläre, aber kurzweilige Dokumentarfilm begleitet die beiden gewitzten, grundsympathischen Akteure bei ihrer Werbetour für mehr Toleranz, beobachtet die Reaktionen des Publikums und fragt nach den Erfahrungen der Aktionskünstler. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DIE KLEINSTE ARMEE DER WELT
Produktionsland
Österreich/Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Martin Gerner Film
Regie
Martin Gerner
Buch
Martin Gerner
Kamera
Martin Gerner
Länge
82 Minuten
Kinostart
06.10.2016
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb | TMDB

Doku über das "Bavarian Taliban"-Duo auf Werbtour für mehr Toleranz und Völkerständigung.

Diskussion
Die Passanten reagieren irritiert. Da stehen in der Rosenheimer Innenstadt zwei schweigende Typen in Tracht herum, tragen dazu aber Turban und Kalaschnikow. Zumindest einer von ihnen scheint auch kein Landsmann zu sein. Auf der anderen Seite führen sie aber offenbar auch nichts Böses im Schilde. Oder womöglich doch? Nein, tun sie nicht. Sie machen nur Spaß. Damit aber ist es ihnen durchaus ernst. Der Afghane Hamon Tamin und sein deutscher Mitstreiter Marcus Hank nennen sich „Bavarian Taliban“ und sind als „Die kleinste Armee der Welt“ im Dienst der Völkerverständigung unterwegs. Sie tingeln mit ihrer Bühnenperformance „Salaam Bavaristan“ für einen etwas anderen Heimatabend durch Bayern und Österreich und fordern den Zusammenschluss aller Bergvölker zwischen Hindukusch und Watzmann. Und wenn die Menschen nicht in ihre Vorstellungen kommen, kreuzen sie kurzerhand bei ihnen auf. Beispielsweise beim Stammtisch eines Schützenvereins. Dort erklärt Hamon Tamin den verdutzten Sportschützen die Gemeinsamkeiten zwischen Afghanen und Bayern: In beiden Ländern liebt man die Berge, sind die Menschen sehr religiös, tragen gerne Trachten und haben ein Faible für Waffen. Nein, nein, widersprechen da die Schützenbrüder mit gebotenem Ernst, in Bayern seien das weniger Waffen als Sportgeräte. Der Dokumentarfilm begleitet das afghanisch-bayrische Duo auf seinem humorvollen Feldzug gegen Intoleranz. Mal ist die Kamera bei ihren Heimatabenden dabei, nach denen vielfach Gesprächsbedarf besteht, mal hält sie Open-Air-Aktionen in Fußgängerzonen fest. Bei manchen Sequenzen, in denen Hamon beispielsweise eine Art absurden Werbespot für Weißwürste aufführt, darf man rätseln, ob die Auftritte eigens für den Film kreiert wurden oder zum Repertoire des Duos gehören. Zwischendurch sprechen die beiden Protagonisten, mal zu zweit, mal allein, aber unkostümiert über sich und ihr Kunstprojekt. So erfährt man, dass Hamon Tamin Politische Wissenschaften studiert, derzeit an seiner Dissertation arbeitet, aber seit 20 Jahren in Deutschland nur geduldet ist und durchweg nur in gebrochenem Deutsch angesprochen wird. Marcus Hank, ein angehender Doktorand der Theaterwissenschaften, erzählt von seinen naiven Versuchen, als Wehrdienstleistender die Bundeswehr von Innen auszuhöhlen oder lässt seiner Aversion gegen bajuwarische Volkstümelei freien Lauf. So lebt dieser eher unspektakuläre Dokumentarfilm von Martin Gerner, der seit Jahren als freier Journalist aus Afghanistan berichtet, in erster Linie von seinen gewitzten, grundsympathischen Protagonisten. Die Höhepunkte sind zweifelsohne jene Momente, in denen die beiden Taliban in Lederhosen in der Öffentlichkeit auf Passanten treffen. Da sieht man es förmlich in den Köpfen der Zuschauer arbeiten: Ist so ein Afghane in bayrischer Tracht jetzt ein Beleg für dessen Integrationsbereitschaft? Oder vielleicht doch eher ein ungehörige Frechheit?
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