Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 91 Minuten

Regie: Stephan Bergmann

An Bord des Kreuzfahrtschiffs „MS Deutschland“ porträtiert der Dokumentarfilm formal spielerisch und humorvoll zwei etwa 70-jährige „Gentleman Hosts“, die allein reisenden Frauen als Tänzer, Begleiter und Unterhalter den Aufenthalt an Bord verschönern. Das in attraktiven Kinobildern gedrehte Porträt einer betuchten Generation, die fern vom Alltag mit entspannter Offenheit über das Altern, die Liebe, Sex und Sehnsüchte plaudern. Dabei zeigt der beschwingte Einblick in den Mikrokosmos Kreuzfahrt nebenbei immer wieder auch die riesige Maschinerie, die den Luxus am Laufen hält. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Made in Germany Filmprod./ZDF (Das kleine Fernsehspiel)
Regie
Stephan Bergmann
Buch
Stephan Bergmann
Kamera
Janis Mazuch
Musik
The Embassadors
Schnitt
Gesa Marten · Martin Kayser Landwehr
Länge
91 Minuten
Kinostart
29.01.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Der Gigolo ist ein Eintänzer und ein bisschen auch Objekt: Schließlich bezahlen die allein reisenden Damen viel Geld für seine Dienste. „Hosts“, nennen Babs und die anderen Frauen fortgeschrittenen Alters ihre Berufskavaliere an Bord des Kreuzfahrtschiffes, was sich ein wenig wie „Horst“ anhört. „Die letzten Gigolos“ von Stephan Bergmann beginnt mit einer Kamerafahrt über eine auf dem Bett ausgebreitete Krawattenlandschaft; die gepflegte Erscheinung gehört neben vollendeten Manieren und ordentlichen Tanzkünsten zur Grundausstattung der gegen Bezahlung auf der MS Deutschland mitreisenden Herren. Der Regisseur porträtiert zwei dieser Herren: Den „alten Hasen“ Peter, der schon öfter als Eintänzer mitgereist ist, und den Neuling Heinz, der von Peter in die Kavalierskünste eingewiesen wird. Mit der Zeit wird der Fokus auf zwei Damen erweitert: auf die temperamentvolle Hamburgerin Babs, die den gutaussehenden Peter bevorzugt, und auf eine namenlos bleibende Münchnerin, die Heinz’ Tanz- und Tango-Talente schätzt. Gelegentlich sind die Füße der beiden zu sehen, wie sie gekonnt über die Tanzbühne gleiten – Babs und Peter zeigt der Film eher in Totalen oder tuschelnd nah, was sicher auch den rauschenden Ballroben von Babs geschuldet ist. Die Witwe Babs erzählt sehr offenherzig von ihren Erwartungen an das Alter, sie spricht über Sex und Sehnsüchte, verwendet viel Zeit auf ihr Äußeres und ist praktisch immer gut gelaunt. Eine der witzigsten Szenen im Film gehört ihr: Da sitzt sie bei einem Landausflug in Afrika im neonpinken Badeanzug am Strand und will einer farbigen Strandverkäuferin ein Batiktuch abkaufen. Es gibt ein herrliches Missverständnis über den Preis, das viel über das Verhältnis der Ersten zum Rest der Welt und umgekehrt aussagt – und das unwillkürlich an Ulrich Seidls „Paradies: Liebe“ (fd 41 475) denken lässt. Grundsätzlich bleibt der Film aber an Bord der MS Deutschland, dem „Traumschiff“ aus der gleichnamigen ZDF-Serie. Nebenbei zeigt Bergmann auch die Abläufe im Hintergrund: Philippinische Zimmermädchen lernen Deutsch, in der Großküche werden die Teller am Fließband aufgehübscht, der Kapitän macht auf der Brücke seine Durchsagen. Die MS Deutschland ist seit Jahren ein Verlustgeschäft, die Beteiligungsgesellschaft hat Ende 2014 beantragt – vielleicht ist „Die letzten Gigolos“ also nicht nur ein Abgesang auf die letzten Berufskavaliere. Tristesse kommt hier allerdings nicht auf; eher beschwingt melancholisch gibt der Songklassiker „Just a Gigolo“ den Rhythmus vor. Der formal und inhaltlich stets mitschwingende Humor geht nie auf Kosten der Protagonisten, sondern hält augenzwinkernd charmant Distanz. Dabei kommt der Regisseur der Reisegesellschaft recht nahe, lauscht den Lästereien der Damen über die „Hosts“ und zeigt Heinz an Deck bei seinen gymnastischen Übungen, hört der nüchternen, selbstkritischen Rückschau auf sein Leben zu: zu viel Arbeit, zu wenig Zeit für seine Frau, Scheidung. In großen, ruhigen, gänzlich kitschfreien Kinobildern, in Zeitlupen und einer Vielzahl von Detailbeobachtungen porträtieren Bergmann und sein Bildgestalter Janis Mazuch den riesigen Luxusliner. Eine traumverlorene Passage reiht Reisegäste in langen Einstellungen, dazu sind aus dem Off ihre Erzählungen zu hören, über das Leben, ihre Visionen, Wünsche und Träume, über das Alter. Es geht dabei nicht um Krankheiten, nicht um Verlust und Tod – oder nur am Rande. Das Alter, fast schon ein Modethema im Kino der vergangenen Jahre, wird hier leicht und lebensfroh gezeichnet, tanzend auf den Weltmeeren, die Welt bereisend. Natürlich sind die Gäste – und auch die Gentleman-Hosts – allesamt recht wohlhabend. „Die letzten Gigolos“ entwirft damit auch das Bild einer Nachkriegsgeneration, die sich um ihr Auskommen im Alter keine Sorgen oder zumindest kaum welche machen musste. Auf die philippinischen Zimmermädchen wartet sicher ein anderer Lebensabend.
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