Drama | Frankreich/Deutschland/Belgien 2013 | 107 (24 B./sec.) / 103 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Guillaume Nicloux

Eine 16-jährige Französin wird im 18. Jahrhundert von ihrer Familie genötigt, ins Kloster zu gehen. Da sich die junge Frau aber nicht von Gott berufen fühlt, wehrt sie sich, die Gelübde abzulegen. So beginnt ein Leidensweg, an dem sie zu zerbrechen droht. Eine betont spröde, kunstsinnige Verfilmung des gleichnamigen Romans von Denis Diderot, der um den Konflikt zwischen inneren Überzeugungen und sozialem Druck kreist. Der präzise inszenierte Film rechnet mit autoritären Strukturen ab, die die Entfaltung des Individuums behindern, schenkt aber auch den Kräften Raum, sich dagegen zu behaupten. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LA RELIGIEUSE
Produktionsland
Frankreich/Deutschland/Belgien
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Les Films du Worso/Belle Epoque Films/Versus Production
Regie
Guillaume Nicloux
Buch
Guillaume Nicloux · Jérôme Beaujour
Kamera
Yves Cape
Musik
Max Richter
Schnitt
Guy Lecorne
Darsteller
Pauline Etienne (Suzanne Simonin) · Isabelle Huppert (Oberin im Kloster Saint-Eutrope) · Martina Gedeck (Suzannes Mutter) · Louise Bourgoin (Schwester Christine) · Françoise Lebrun (Oberin im Kloster Sainte Marie)
Länge
107 (24 B.
sec.)
103 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
31.10.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Camino
Verleih Blu-ray
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Diskussion
Die Nonne, die Pauline Etienne in dieser Adaption von Denis Diderots gleichnamigem Roman verkörpert, ist eine zarte, aber willensstarke junge Frau. Der Film erzählt davon, wie diese kleine Person mit dem klaren, ausdrucksstarken Gesicht allen Bedrohungen und Schikanen zum Trotz an ihrer Überzeugung festhält, dass sie von Gott nicht zum Leben hinter Klostermauern berufen ist und dass kein Mensch sie dazu zwingen darf. Der Aufklärer Diderot hatte diese Passionsgeschichte erfunden, um gegen die katholische Kirche seiner Zeit zu polemisieren. Erstaunlich ist, wie sehr die Verfilmung von Guillaume Nicloux ausgerechnet an Märtyrer-Legenden aus dem katholischen Heiligenkalender erinnert: Die Figur wird zu einer Märtyrerin der Selbstbestimmung, die sich mit ähnlich starken Glaubensüberzeugungen gegen den Nonnenschleier wehrt wie sie den frühchristlichen Heiligen beim Verteidigen ihrer Religion gegen heidnische Bedränger zugeschrieben wird. Dabei bleibt die Inszenierung konsequent auf Seiten des Opfers, der 16-jährigen Suzanne Simonin. Sorgfältig wird der familiäre Hintergrund einbezogen, der dazu führt, dass sie ins Kloster abgeschoben wird. Als jüngstes Kind einer verarmten Familie reicht es nicht mehr für eine standesgemäße Mitgift, um sie anständig zu verheiraten. Das Kloster würde eine ehrbare Alternative bieten – zumal die Mutter damit eine alte „Schande“ wettmachen möchte: ist Suzanne doch das Resultat eines außerehelichen Fehltritts. Die junge Frau aber will das Kloster als Ausweg aus einer von ihr nicht verschuldeten Situation zunächst nicht akzeptieren. Schließlich aber lässt sie sich doch überreden. Als ihre freundliche Mutter Oberin stirbt, will sie diesen Entschluss wieder revidieren, da ihre hartherzige Nachfolgerin Suzannes Freiheitssehnsucht mit brutalsten Mitteln auszutreiben versucht. Als Suzanne die Verlegung in ein anderes Kloster gelingt, scheint alles besser zu werden, da ihr die dortige Äbtissin mit großer Zuneigung begegnet. Bis sich herausstellt, dass diese ihre Führungsposition ausnutzt, um zudringlich die „Liebe“ der jungen Schwester einzufordern. Warum diesen alten Stoff um eine Nonne wider Willen noch einmal aufgreifen? Schon in Jacques Rivettes Adaption „Die Nonne“ (fd 15 104) mit Anna Karina stand nicht die konkrete Kritik an Klosterleben und Kirche im Mittelpunkt; vielmehr ging es um eine Versuchsanordnung, wie ein Individuum unter sozialem Druck langsam zerbrochen wird. Auch Nicloux sucht das Zeitlose in der Geschichte der Nonne. Die Inszenierung kontrastiert immer wieder Pauline Etiennes verletzliches Gesicht mit der Mauer aus Konventionen und Kontrollansprüchen, die Familie wie Nonnen errichten. Der Film zielt dabei nicht auf eine Skandalisierung der „Perversionen“ hinter Klostermauern ab, sondern beleuchtet einen grundsätzlichen Missstand: Es geht um die verheerende Wirkung autoritärer Systeme, die die Entfaltung von Menschen behindern. Und es geht um Möglichkeiten des Individuums, sich dagegen zu behaupten. Im Gegensatz zu Rivette läuft Nicloux’ Version nicht auf den Tod der Hauptfigur hinaus, sondern eröffnet ihr vielmehr einen ambivalenteren Schluss. Ob sich die Freiheitssehnsucht der Figur darin erfüllt, bleibt Interpretationssache. Schließlich war der Handlungsspielraum für eine junge Frau des 18. Jahrhunderts nicht nur im Kloster strikt beschränkt, sondern auch in der säkularen Gesellschaft.

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