Die Stadt als Beute

Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 84 Minuten

Regie: Andreas Wilcke

Dokumentarfilm über den Immobilienmarkt in Berlin, wo die Mietpreise explodieren, Wohnraum eine gefragte Ressource und zum Spekulationsobjekt geworden ist. Gleichermaßen beobachtet er Makler, Investoren und Kaufinteressenten wie Menschen, die von Entmietung, Sanierungsmaßnahmen und Mietsteigerung betroffen sind. Mit kritischem Engagement will er die Dynamiken des Immobilienmarkts offenlegen, stellt dabei aber die oppositionellen Lager von Wohnungsbesitzern und Mietern etwas arg schematisch gegeneinander. Die Zusammenhänge zwischen Wohnungsmarkt, Standortentwicklung und Gentrifizierung werden dabei nur bedingt durchdrungen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
It Works! Medien/wilckefilms/Weltfilm
Regie
Andreas Wilcke
Buch
Andreas Wilcke
Kamera
Andreas Wilcke
Musik
Einstürzende Neubauten
Schnitt
Steffen Bartneck · Jan Liedtke
Länge
84 Minuten
Kinostart
08.09.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Doku über die Gentrifizierung, ihre Gründe und Folgen in Berin

Diskussion
„Ich geh’ da draußen nur durch Stadtmanagement spazieren, durch Null-Toleranz-Politik“, heißt es in René Polleschs Theaterstück „Stadt als Beute“, das auf dem gleichnamigen Sachbuch des Autorenkollegiums SpaceLab basiert, aus dem wiederum der Episodenfilm „Stadt als Beute“ (fd 37 116) von Irene von Alberti, Miriam Dehne und Esther Gronenborn hervorging. In Andreas Wilckes Film „Stadt als Beute“, der sich ohne weiteren Verweis diesen Titel leiht, geht es ebenfalls um die kommerziellen Mechanismen in der Stadtentwicklung, genauer: um die Erschließung der Ressource „Wohnraum“ in Berlin, einer Stadt, die sich durch ihre Sonderrolle als Insel zwischen zwei Systemen lange den gängigen Marktmechanismen entzog. Vier Jahre lang hat der Filmemacher die verschiedensten Agenten des Wohnungsmarkts begleitet, darunter Makler, Investoren und Kaufinteressenten, aber auch die von Entmietung, Sanierungsmaßnahmen und explodierenden Mietpreisen betroffenen Leidtragenden. Nicht von ungefähr beginnt der Film mit einer Wahlkampfveranstaltung des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit auf einem Spreedampfer. Wowereits flotter Spruch „Arm, aber sexy“ prägt bis heute das Image Berlins, selbst wenn die Stadt rasant teurer wird – nicht zuletzt im Zuge der von Wowereit und seinem Nachfolger Michael Müller verantworteten Politik, die keinerlei gesetzliche Maßnahmen gegen steigende Mieten und soziale Verdrängung ergriffen. Die Immobilienmakler preisen die Gentrifizierung als Segen – die Alternative, so die verbreitete Propaganda, sei eine „Verslumung“. Die Offenheit, mit der sie über ihr Gewerbe sprechen, erstaunt ebenso wie die komplette Abwesenheit eines sozialen Gewissens. „Ich vertreibe Einkommensschichten, die es sich nicht leisten können, in der teuren Mitte zu wohnen, an den Rand“, erläutert ein aalglatter Vertreter. Und ein Vorstandmitglied der GSW Immobilien AG fragt: „Muss ein Hartz IV-Empfänger am Potsdamer Platz wohnen?“ Den aus London angereisten Kollegen fallen schier die Augen aus dem Kopf angesichts der vergleichsweise niedrigen Immobilienpreise; sie sind auf Shopping-Tour in der Hauptstadt, viele ihrer Kunden kaufen gleich „ein, zwei, drei Wohnungen“ und noch eine für den Eigenbedarf – „für Theater und Events“. Während eine investitionsinteressierte Amerikanerin, die Berlin wegen der „Variety“ liebt, über Preise von 300.000 Euro aufwärts spricht und nebenher ein Schnäppchen auf einem Flohmarkt macht (sie greift ein Halstuch aus der Zwei-Euro-Kiste), registriert eine Mieterin ohnmächtig die unangekündigte Einrüstung ihres Wohnhauses. Eine andere erzählt, wie sie sich eines Abends mit zugemauerten Badezimmer- und Küchenfenstern konfrontiert sah. Seitdem muss sie auch tagsüber das Licht anschalten. So umfassend die Perspektive des Films scheinbar ist, und so unmittelbar die Einblicke in die Dynamiken des Immobilienmarkts: Durchdringen kann der Film die Zusammenhänge zwischen Wohnungsmarkt und Standortentwicklung nur bedingt. Jedenfalls kommen diejenigen, die mit ihrem Zuzug Stadtteile wie Kreuzkölln erst aufgewertet haben, die jungen Kreativen, die Künstler und die Hipster, all jene also, die zum Bild Berlins als Kreativstandort bei- und den Prozess der Gentrifizierung mittragen, schlicht nicht vor. Etwas schematisch stellt „Die Stadt als Beute“ die beiden oppositionellen Lager gegenüber: auf der einen Seite die rücksichtslosen Wohnungsbesitzer und Makler, auf der anderen die unschuldigen Mieter.
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