Die versunkene Stadt Z

Abenteuer | USA/Irland 2016 | 141 Minuten

Regie: James Gray

Der britische Offizier und Abenteurer Percy Fawcett leitet zwischen 1906 und 1925 mehrere Expeditionen in den unerforschten Dschungel des brasilianisch-bolivianischen Grenzgebiets, um in offiziellem Auftrag den Dschungel zu kartografieren. Zugleich aber sucht er nach Beweisen für die Existenz einer untergegangenen Hochkultur. Die Bestseller-Verfilmung kombiniert Elemente des klassischen Abenteuerfilms mit dem Porträt einer kolonialistischen Klassengesellschaft und fragt nach der Einschränkung individueller Handlungsspielräume durch Loyalitätskonflikte. Thematisch vielschichtig, fehlt dem mitunter etwas thesen- und sprunghaft geratenen Film der epische Atem des Genres. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE LOST CITY OF Z
Produktionsland
USA/Irland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Plan B Ent./MICA Ent./Sierra Pic./Northern Ireland Screen/Keep Your Head/MadRiver Pic.
Regie
James Gray
Buch
James Gray
Kamera
Darius Khondji
Musik
Christopher Spelman
Schnitt
John Axelrad · Lee Haugen
Darsteller
Charlie Hunnam (Col. Percival Fawcett) · Sienna Miller (Nina Fawcett) · Tom Holland (Jack Fawcett) · Robert Pattinson (Henry Costin) · Angus MacFadyen (James Murray)
Länge
141 Minuten
Kinostart
30.03.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Abenteuer | Biopic | Drama | Historienfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. die "Berlinale -Pressekonferenz 2017" (15 Min.).

Verleih DVD
StudioCanal (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
StudioCanal (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Drama um den britischen Offizier und Abenteurer Percy Fawcett, der auf der Suche nach einer untergegangenen Hochkultur 1925 im Amazonas-Dschungel spurlos verschwand. Regie: James Gray.

Diskussion
Zwischen 1906 und 1925 leitete der britische Offizier Percy Harrison Fawcett, teilweise im Auftrag der Royal Geographical Society, teilweise privat finanziert, mehrere Expeditionen in die Mato- Grosso-Region im brasilianisch-bolivianischen Grenzgebiet, seinerzeit ein noch weitgehend weißer Fleck auf der Landkarte. Auf einer dieser Reisen hörte Fawcett von Indios die Legende von einer im Dschungel versunkenen Stadt, die seiner Hypothese nach einer untergegangenen Hochkultur entstammte. Fawcett brach immer wieder in den Dschungel auf, um die von ihm als „Z“ bezeichnete Stadt zu finden. Vergebens. Auf seiner letzten Expedition, die der Forscher zusammen mit seinem Sohn Jack 1925 antrat, verliert sich seine Spur. Fawcett, eine schillernde Persönlichkeit, die als Träumer zeitlebens umstritten war, zählte den Schriftsteller Arthur Conan Doyle zu seinen Freunden und soll die Indiana-Jones-Figur inspiriert haben. 2009 erschien der Roman „Die versunkene Stadt Z: Expedition ohne Wiederkehr“ von David Grann. Das Buch entwickelte sich zum Bestseller, den James Gray jetzt für die Leinwand adaptiert. Gray wird als zuverlässiger Auteur und Regisseur von atmosphärisch überzeugenden, sorgfältig inszenierten Genrefilmen wie „Little Odessa“ (fd 31 396), „The Yards“ (fd 34 862) oder „Helden der Nacht“ (fd 38 583) geschätzt, die sich mit der Einschränkung individueller Handlungsspielräume durch die Loyalität zur Familie, zum Beruf oder zur Tradition beschäftigten. Diesem Thema bleibt der Regisseur auch in „Die versunkene Stadt Z“ treu, nur dass er diesmal allerlei Diskurse in die Handlung einzieht, was den Film insgesamt etwas kurzatmig und unkonzentriert werden lässt. Wie der Abenteurer ist auch der Film unstet, pendelt zwischen den Kontinenten. Da es Gray eher um die Verpflichtungen und Verflechtungen Fawcetts in seiner Herkunftskultur geht, rafft der Film die faszinierenden Dschungel-Exkursionen, zeichnet aber genau die Enge, aus der es zu fliehen gilt. Das klingt konzeptuell logisch, nimmt dem Film aber seinen epischen Atem und lässt ihn wie eine um viele Minuten gekürzte Fassung erscheinen. Auf einer Ebene ist „Die versunkene Stadt Z“ ein klassischer Abenteuerfilm in der Tradition von Luis Buñuels „Pesthauch des Dschungels“ (fd 6821) oder Werner Herzogs „Aguirre, der Zorn Gottes“ (fd 18 164). Die Expeditionen, mal mehr, mal weniger erfolgreich, sind immer wieder lebensbedrohlich, mal durch die Natur, mal durch die Begegnungen mit der indigenen Bevölkerung, mal durch Niedertracht in den eigenen Reihen. Andererseits zeichnet Gray den Abenteurer Fawcett vor dem Hintergrund der britischen Kolonial- und Klassengesellschaft, die zwar die Unternehmungen des Abenteurers stützt, aber auch auf Distanz geht, als Fawcett sich zu der Hypothese versteigt, im Dschungel auf die Spuren einer untergegangenen Hochkultur, „älter als die Pyramiden“, gestoßen zu sein. Fawcetts ethnologische Beobachtungen zur Lebensweise der Indios, die sich ihr Überleben im respektvollen Umgang mit der Natur sichern, steht die Arroganz einer Zivilisation entgegen, die wenige Jahre später auf den Schlachtfeldern Flanderns ausblutet. Ein paar Minuten lang ist „Die versunkene Stadt Z“ auch ein Kriegsfilm, der den Zivilisationsbruch des Ersten Weltkriegs nachdrücklich vor Augen führt. Fawcett selbst wird schwer verletzt und kann über Jahre nicht mehr zu Expeditionen aufbrechen, während Forscherkollegen durch die Entdeckung von Machu Picchu seine Hypothesen teilweise zu bestätigen scheinen. Schließlich ist Fawcett aber auch noch Ehemann und Vater, der zwar eine recht modern anmutende Ehe führt, aber durchaus billigend in Kauf nimmt, dass seine Reisen eine emotionale Bindung zu seinen Kindern verhindern. Allen diesen unlösbaren Konflikten, dem bornierten britischen Establishment, das nach Herkunft und nicht nach Verdienst fragt, der Zunft einer dem Imperialismus dienstbaren Wissenschaft, den Anforderungen des Familienlebens, entflieht Fawcett in den Dschungel, wo „nur“ das Leben in Gefahr ist. Gray breitet das in 140 Minuten aus, erzählt von Rededuellen unter Wissenschaftlern, Begegnungen mit Indios, Auseinandersetzungen innerhalb der Familie, Freundschaft unter Abenteurern, während Kameramann Darius Khondji suggestive Bilder des Dschungels einfängt, die mit den Farben des in England spielenden Kostümfilms kontrastieren. Ist Abenteuerlust also gleichzeitig Zivilisationsflucht? Reichen ein paar Scherben im Dschungel und die Erzählung eines Indio-Häuptlings, um eine fast schon an Besessenheit grenzende Projektion oder Vision zu befeuern? Am Ende mündet der Film in eine spirituelle Befreiung, die eine spezielle Lesart des mysteriösen Verschwindens der beiden Fawcetts im Dschungel favorisiert. Kannten die Indios nicht eine Art des Fischens, die dem Fluss nur das nimmt, was gebraucht wird? Ihnen ist demnach ein „rite de passage“ bekannt, die gefangenen Weißen ungefragt die Möglichkeit eröffnet, nach der Ich-Auflösung weiterzuleben, wenngleich in Gefangenschaft. Immerhin gelingt es Fawcett aus seinem psychedelisch-spirituellen Off heraus, seiner Frau eine Botschaft zu schicken, die die Liebende und Trauernde in eine ganz andere Freiheit entlässt.
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