Doctor Strange (2016)

Action | USA 2016 | 115 Minuten

Regie: Scott Derrickson

Der Neurochirurg Stephen Strange verletzt sich bei einem Autounfall an den Händen, was ihn zutiefst verbittert. Auf der Suche nach Heilung stößt er im Fernen Osten auf eine weise Frau, die ihm den Blick dafür öffnet, dass jenseits der sichtbaren Welt zahllose Dimensionen existieren und dass in einigen davon Kreaturen hausen, die die Erde bedrohen. Mit Hilfe dieser Lehrerin erlernt er die Magie, wächst über sich hinaus und opfert seine eigensüchtigen Ambitionen, um die Welt zu beschützen. Spannendes Fantasy-Abenteuer voller spektakulärer Effekte, das das Marvel Cinematic Universe um eine reizvolle Facette erweitert. Mit der vielschichtig entwickelten und famos gespielten Figur des Doctor Strange zieht zudem eine spirituelle Ebene in das Filmuniversum ein. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DOCTOR STRANGE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Marvel Studios/Walt Disney Studios
Regie
Scott Derrickson
Buch
Scott Derrickson · C. Robert Cargill
Kamera
Ben Davis
Musik
Michael Giacchino
Schnitt
Wyatt Smith · Sabrina Plisco
Darsteller
Benedict Cumberbatch (Dr. Stephen Strange) · Chiwetel Ejiofor (Baron Karl Mordo) · Rachel McAdams (Christine Palmer) · Mads Mikkelsen (Kaecilius) · Tilda Swinton (Die Älteste)
Länge
115 Minuten
Kinostart
27.10.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Action | Comicverfilmung | Fantasy
Externe Links
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Fantasy-Abenteuer als fulminanter Baustein des Marvel-Gesamtkunstwerks

Diskussion

Wenn Tony Stark/Iron Man nur gewusst hätte, dass es Leute wie Stephen Strange gibt: Dann wären ihm seine Fehler in „Avengers: Age of Ultron“ (fd 43 060) vielleicht nicht passiert. Den Plan, einen Schutzschild zu schaffen, um die Erde vor Gefahren aus anderen Welten zu sichern, hätte er jedenfalls nicht ganz so verbissen angehen müssen: So einen Schild, der zumindest die magischen Bedrohungen in Schach hält, gibt es nämlich längst, wie man nun in „Doctor Strange“ erfährt. Erhalten wird er vom „Sorcerer Supreme“ und seinen Verbündeten – eine Aufgabe, in die Stephen Strange im Lauf des neuen Marvel-Films hineinwachsen wird. Die Avengers stehen bei der Verteidigung des Planeten also nicht alleine da!

Die Schöpfer des Marvel Cinematic Universe führen mit dem erstmals 1963 in den Comics etablierten Strange einen neuen Kinohelden in die „Phase 3“ des Kino-Universums ein, der viel erzählerisches Potenzial mitbringt. So dürfte er neben Thor ein weiteres gutes Bindeglied abgeben, um den „irdischen“ Handlungsstrang um die Avengers mit dem kosmischen Handlungsstrang um Thanos, die Infinity-Steine und die Guardians of the Galaxy zu verquicken. Außerdem liefert er einen hervorragenden Aufhänger für jede Menge Spektakel: Mit einer ähnlichen Genüsslichkeit, mit der in „Ant-Man“ (fd 43 224) mit den Größenverhältnissen ein irrwitziges Feuerwerk an visuellen Gags abgebrannt wurde, wird in „Doctor Strange“ nun mit den magischen Fähigkeiten geklotzt. Da werden ganze Stadtlandschaften gefaltet, verschoben und auf den Kopf gestellt, wird mit interdimensionalen Portalen und Astralkörpern gespielt, als wäre Christopher Nolans „Inception“ (fd 39 996) nur eine Fingerübung gewesen.

Über all dem sind die Verantwortlichen, nicht zuletzt der im Mystery-Genre bewanderte Regisseur Scott Derrickson, klug genug, die Figuren und ihre Entwicklung nie aus dem Blick zu verlieren. Die „Origin Story“ etabliert Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) als höchst erfolgreichen, von sich selbst allzu sehr überzeugten Arzt, der auf gewaltsame, obendrein von ihm selbst verschuldete Weise ganz tief fällt: Bei einem aus Leichtsinn verursachten Autounfall mit seinem Sportwagen verletzt er sich so schwer, dass seine Hände, die er als Chirurg doch so dringend braucht, verkrüppeln. Eine Einschränkung, die Strange einfach nicht akzeptieren kann – zu sehr hat er sich an den Ärzte-Gott-Komplex gewöhnt. Da ihm medizinisch nicht geholfen werden kann, folgt er einer dubiosen Spur und sucht im Fernen Osten nach Heilung: In Kathmandu soll es einen geheimnisumwitterten Ort geben, an dem das Unmögliche möglich gemacht werden kann.

Tatsächlich findet Strange diesen Ort – und dessen Meisterin: Die „Älteste“ (charismatisch: Tilda Swinton) heilt zwar nicht seine Hände, öffnet ihm aber den Blick für die Dimensionen jenseits der sichtbaren Welt und hilft ihm, gerade dadurch über sich hinauszuwachsen, dass sie ihn lehrt, selbst nicht alles kontrollieren zu können. Während es in den „Avengers“-Filmen um handfeste Politik geht, stößt „Doctor Strange“ damit in philosophische Dimensionen vor. Im Konflikt mit einem abtrünnigen Schüler der Ältesten (Mads Mikkelsen), in den Strange alsbald verwickelt wird, tritt er quasi seinem dunklen Spiegelbild entgegen: einem Mann, der die Grenzen der menschlichen Existenz im Allgemeinen und die Sterblichkeit im Besonderen als „Beleidigung“ empfindet und deshalb eine unselige Allianz mit einem transdimensionalen Bösen eingeht, um die Welt ihrer Zeitlichkeit zu entreißen – freilich zu einem schrecklichen Preis.

Um in seine Rolle als Beschützer der Welt hineinzuwachsen, muss Strange nicht nur lernen, die Magie zu beherrschen; vor allem muss er sich selbst zurücknehmen und sich als Teil einer größeren Ordnung verstehen. Benedict Cumberbatch lotet diesen Entwicklungsprozess famos aus, füllt an den richtigen Stellen den ikonisch wehenden Mantel der Comic-Figur mit nötigem Pathos und arbeitet zugleich selbstironisch-humorvolle Brechungen ein, wie man sie aus den Marvel-Filmen gewohnt ist. So wird „sein“ Film zur stimmigen Ausdehnung des erzählerischen Gesamtkunstwerks.

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