Drei Wünsche von Handloh

Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 72 Minuten

Regie: Simone Jung

Dokumentarfilm über eine Ferienfreizeit im bayerischen Ort Handloh. Auf dem abgeschiedenen Hof haben sich elf Kinder aus Familien versammelt, in denen es ein schwerkrankes oder schwerbehindertes Geschwister gibt. Nun sollen sie selbst im Mittelpunkt stehen und ihr persönliches Schicksal in Gestalt eines Trickfilms vergegenwärtigen. In den Gesprächen mit den Kindern, aber auch in den Ausschnitten aus dem selbst produzierten Film wird spürbar, wie durch Kunst ein Raum entsteht, in dem sich belastende Gedanken und Gefühle lösen können. - Ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Frankfurter Kinderbüro/Trickfilmkinder
Regie
Simone Jung
Buch
Simone Jung
Kamera
Majid Kiasalar · Simone Jung
Schnitt
Boris Kreuter
Länge
72 Minuten
Kinostart
10.11.2016
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
TMDB

Einfühlsamer Dokumentarfilm über eine Therapie für Geschwister schwerkranker Kinder

Diskussion
Ein schwerbehindertes oder todkrankes Kind zu pflegen, bedrückt nicht nur die Eltern. Gesunde Geschwister leiden unter solchen Umständen genauso schwer. Da Vater und Mutter sich mit der Pflege oft überfordert fühlen, fallen sie nicht selten als Ansprechpartner aus, zumal sie die Bedrohung durch Krankheit und Tod für sich selbst ebenfalls bewältigen müssen. Was geht in den gesunden Kindern vor, fragt der Dokumentarfilm von Simone Jung. Wie erleben die Geschwisterkinder ihren Alltag? Sie machen sich wie die Erwachsenen Sorgen um Bruder und Schwester, müssen sie schützen und haben damit viel mehr Verantwortung als andere Kinder zu tragen. Die strapaziösen Behandlungen lasten auch auf ihnen, wenn sie etwa bei einer Chemotherapie strengste Hygienemaßnahmen einhalten müssen, um das kranke Geschwister vor Ansteckung zu schützen. Oder wenn sie mit ansehen müssen, dass ihr Bruder oder ihre Schwester abgeschottet werden, nicht wie normale Kinder rausgehen und mit anderen spielen dürfen. Sind die gesunden Geschwister noch jünger, müssen sie zudem mit Hänseleien und Verspottungen umgehen lernen. Manchmal verheimlichen sie sogar ihren schwerkranken Angehörigen, aus Angst, abgelehnt oder zurückgestoßen werden. Den Kummer und die Nöte der Geschwisterkinder nahm man lange nicht zur Kenntnis. In den letzten Jahren jedoch wurden Angebote geschaffen, die den gesunden Geschwistern helfen sollen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Freizeiten sind ein bewährter Ort, diese Erfahrungen mit gleichgestimmten Kindern zu teilen. Das Frankfurter Kinderbüro fuhr zusammen mit dem Filmemacher Boris Kreuter und einer Gruppe von Mädchen und Jungen nach Bayern. In der Natur, auf einem abgeschiedenen Hof, sollten sie trotz ihrer „besonderen Sorgen“ eine unbeschwerte Zeit verbringen. Zugleich wollten die Veranstalter einen kreativen Raum schaffen, in dem sich die Kinder von den belastenden Gedanken und Gefühlen lösen. Kunst gilt dabei als gutes Therapeutikum, es schenkt Trost, Ablenkung und Freude am Schaffen. So stellten die Kinder unter Anleitung einen Animationsfilm her. „Drei Wünsche von Handloh“ bewegt sich auf drei Ebenen und richtet sich nicht nur an ein junges Publikum, sondern auch an Pädagogen und Eltern. So dokumentiert Simone Jung die Freizeit und führt Interviews mit den Kindern, wofür sie sich ein ruhiges Plätzchen auf einer Bank unter einem Baum suchte. Die Mädchen und Jungen sitzen einzeln oder in Zweiergruppen und berichten davon, wie sich die Krankheit oder Behinderung auf ihr eigenes Leben auswirkt. Den Alltag auf der Freizeit, seine profanen Verrichtungen wie die Herstellung des Trickfilms, versucht Jung durch ihren Off-Kommentar in eine Aura des Geheimnisvollen, der Spannung oder des Staunens zu hüllen, was auch die launige Musik unterstreicht. Die Kinder kommen auf dem Hof an und werden in den Regeln des Hauses unterwiesen. Die Frage, wer mit wem das Zimmer teilt, wurde bereits auf der Fahrt entschieden. Dann folgt die allabendliche Schlafengehen-Prozedur. Tagsüber sind die Kinder mit der Produktion ihres Trickfilms beschäftigt. Sie lernen die Handpuppen für ihren Film herzustellen, schreiben die Monologe für ihre Figuren, animieren diese. Der Zuschauer erfährt dabei auch, wie ein Animationsfilm entsteht, hier und da fällt ein Fachwort, das dann erklärt wird. Teile dieser Produktion wurden in den Film eingearbeitet; in der 70-minütigen Kinofassung ist der Animationsfilm in ganzer Länge eingepasst. Die Kinder haben sich darin mit gängigen Genres beschäftigt. Der Zuschauer erhält einen Einblick, wie die Kinder ihren Alltag bewältigen. Es geht um Leben und Tod, um Verwandlung nicht nur in den einzelnen Szenen, sondern auch im Animieren der selbstgemachten Puppen. Wie ihr Zaubermärchen veranschaulicht, fehlt dessen Protagonisten manchmal ebenfalls die Möglichkeit, sich zu artikulieren. Gerade deshalb hätte man sich für die Dokumentation mehr Zeit und Ruhe bei den Interviews gewünscht, sich in die Lebens- und Innenwelt der Kinder einzufühlen.
Kommentar verfassen

Kommentieren