Animation | USA 2016 | 97 Minuten

Regie: Andrew Stanton

In einer Art Fortsetzung zu „Findet Nemo“ (2003) macht sich der vergessliche Paletten-Doktorfisch, der schon bei der früheren Suche nach dem kleinen Clownfisch dabei war, auf den Weg, um seine Eltern wiederzufinden. Auf ihrer abenteuerlichen Reise schwimmen die Tiere von Australien bis an die Westküste der USA, wobei sie auch mit der Welt der Menschen in Kontakt kommen. Der tricktechnisch perfekte, in seiner Detailtreue brillierende, dramaturgisch etwas zu hektische Animationsfilm führt die Handlung immer wieder auf die Gefühle der Protagonisten zurück, die über sich hinauswachsen, sobald sie sich ihren Handicaps und Ängsten stellen. Neben der feinfühligen Beseelung der Meeresbewohner sticht die unaufdringliche Beschäftigung mit dem Thema Behinderung hervor. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
FINDING DORY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Walt Disney Pic./Pixar Animation Studios
Regie
Andrew Stanton · Angus MacLane
Buch
Andrew Stanton · Victoria Strouse
Kamera
Jeremy Lasky
Musik
Thomas Newman
Schnitt
Axel Geddes
Länge
97 Minuten
Kinostart
29.09.2016
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Animation | Komödie
Externe Links
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Eine Art Fortsetzung von "Findet Nemo"

Diskussion
Noch einmal Fische also. Ausgerechnet jene Tiere, die Animatoren so wenig Spielraum lassen. Sie können nicht laufen und stolpern, nicht mit den Armen rudern, nichts greifen, kaum gestikulieren. Sie haben keine Haare, keine Kleider, auch die mimische Ausdrucksfähigkeit scheint eher beschränkt zu sein. Aber Pixar hat schon einmal gezeigt, dass man daraus trotzdem einen beeindruckenden CGI-Film machen kann: „Findet Nemo“ (2003) führte mitten hinein in den Ozean und erzählte als Unterwasser-Road-Movie von einem Clownfisch, der nach seinem verschwundenen Sohn sucht und dabei über sich hinauswächst. „Findet Dorie“ ist keine Fortsetzung im engeren Sinne – so etwas macht Pixar ohnehin selten –, vielmehr ein Spin-off. Marlin, der seit dem tragischen Tod seiner Fischdame überängstliche Vater von Clownfisch Nemo und „Held“ des ersten Films, taucht nun zwar auch noch auf, wird jedoch eher zur Nebenfigur. Die Hauptrolle gehört stattdessen Dorie, dem ehemals tragikomischen Sidekick. Als Paletten-Doktorfisch mit massiver Störung des Kurzzeitgedächtnisses sorgte Dorie in „Findet Nemo“ für den Comic Relief. Jetzt widmet man sich ihrer Hintergrundgeschichte und fragt sich, wie so ein Fisch eigentlich leben kann. Dieser Ansatzpunkt ist zunächst einmal überraschend, sind Sidekicks doch vor allem auf den schnellen Gag angelegt und keineswegs Figuren mit Tiefe. Andrew Stanton aber, der kreative Kopf hinter beiden Unterwasserfilmen, der in „WALL-E“ (2008) auch schon einen Roboter feinfühlig beseelt hat, vollzieht genau diese Kehrtwendung. Und das Überraschende ist, wie gut dieses Konzept aufgeht. In den Mittelpunkt rückt nun Dories Suche nach ihren Eltern, die sie unter ungeklärten Umständen aus den Augen verloren hat. Begleitet von Marlin und Nemo macht Dorie sich auf den Weg nach vorn, um ihre Vergangenheit zu finden. Wie in „Findet Nemo“ kommen die Fische bei ihrer Suche in Kontakt mit der Welt der Menschen, wenn die Reise sie von Australien in ein meeresbiologisches Institut an der Westküste der USA führt. Echte Gegenspieler gibt es dennoch nicht. Dorie ist eine schöne Figur, weil sie so spontan und unbedarft ist, auf liebenswerte Art chaotisch und naiv. Das Unperfekte macht sie so sympathisch. „Was würde Dorie tun?“, wird zu einer häufig aufgegriffenen Leitfrage – und das heißt hier nichts anderes als: Hör auf nachzudenken! Handle einfach! Allerdings, und da kommt die Anlage als Sidekick am deutlichsten zur Erscheinung, ist Dorie auch eine Quasselstrippe, die ihresgleichen sucht. Die Hektik, die sie damit als Nebenfigur verbreiten konnte, war eine angenehme Ablenkung. Als Titelheldin allerdings wird der Film dadurch oft sehr hektisch. Es ist schon bemerkenswert, wie es einem derartigen CGI-Blockbuster gelingt, ganz unterschiedliche Behinderungen zu thematisieren, ohne dabei in irgendeiner Weise aufdringlich oder bemüht zu wirken. War es in „Findet Nemo“ schon der Clownfisch, dessen Flosse etwas zu klein geraten war, so leidet nun Dorie unter ihrer mentalen Einschränkung. Auch der neue Sidekick und Verbündete Hank, ein Oktopus aus dem Institut, ist nicht unversehrt: Ihm fehlt ein Arm – weshalb er die Aussicht, irgendwann wieder im offenen Meer ausgesetzt zu werden, überhaupt nicht erstrebenswert findet und sich viel lieber nach der Sicherheit eines Aquariums sehnt. Ängste zu überwinden, sich selbstbewusst dem Leben zu stellen mit den Fähigkeiten, die man hat – das wird so zum Hauptthema der beiden Filme. Erneut sind es die emotionalen Szenen, durch die sich die Pixar-Produktion von vielen anderen aktuellen Computeranimationen abhebt. Da mag es vor allem zum Ende hin noch so albern werden. Zurückgeführt wird die Geschichte immer auf die Gefühle der Figuren, an die Zuschauer unterschiedlichsten Alters andocken können. Zugleich kann Stanton mit „Findet Dorie“ trotz der technischen Perfektion – mit jedem weiteren Film verblüffen die Pixar-Animatoren durch eine neue Detailtreue und ungemein echt wirkende Texturen – nicht an den Ideenreichtum von „Alles steht Kopf“ oder auch den Bildwitz von „WALL-E“ anschließen. Rückwirkend freilich verändert sich der Blick auf „Findet Nemo“: Wer sich diesen heute noch einmal ansieht, wird die vergessliche Dorie mit anderen Augen sehen. Aus dem Sidekick ist ein Charakter geworden.
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