Dokumentarfilm | Australien 2015 | 89 Minuten

Regie: Maya Newell

Langzeitdokumentation über drei Jungen und ein Mädchen, die in so genannten Regenbogenfamilien mit gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen. Der Film lässt ausschließlich die Kinder zu Wort kommen, was die Debatte um Homo-Ehen und Kinder aus gleichgeschlechtlichen Beziehungen um eine wichtige Perspektive ergänzt. Dabei zeigt sich, dass sich ihr Familienalltag kaum von dem ihrer Altersgenossen unterscheidet, auch wenn dessen „Normalität“ von der Außenwelt mitunter hinterfragt wird. Das Plädoyer für mehr Toleranz und andere Lebensentwürfe unterstreicht nachdrücklich, dass funktionierende Familien und eine liebevolle Erziehung nichts mit der sexuellen Ausrichtung der Eltern zu tun haben. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
GAYBY BABY
Produktionsland
Australien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Marla House
Regie
Maya Newell
Buch
Maya Newell
Kamera
Maya Newell
Musik
Max Lyandvert
Schnitt
Rochelle Oshlack
Länge
89 Minuten
Kinostart
23.06.2016
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Dokumentation für drei Jungen und ein Mädchen, die bei gleichgeschlechtichen Eltern groß werden.

Diskussion
Der 10-jährige Gus hat „keinen Vater, sondern einen Spender“, dafür aber zwei Mütter. Für ihn ist das kein Problem. Aber wie soll er herausfinden, was es heißt, männlich zu sein? Zum Glück gibt es Wrestling. Da dreschen protzige Muskelberge wie seine Idole „The Undertaker“ und John Cena aufeinander ein. Sehr zum Vergnügen von Gus und sehr zum Missfallen seiner Mütter, für die dieser Sport nur etwas für Dumpfbacken ist. Wenn es ums Wrestling geht, steht Gus selbst im Ring, das Sparring wird jedoch mit Worten ausgetragen, und der Junge ist gut trainiert. Gewitzt weiß er fast jedes mütterliche Argument zu entkräften. Aber ob sie ihm seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen und ihm eine Eintrittskarte für die Wrestling-Show kaufen? Großwerden ist manchmal ein Kampf. Nicht nur für Eltern, die zusehen müssen, wie aus süßen Babys grummelnde Teenager werden, sondern auch und vor allem für die Heranwachsenden selbst. Wenn man dann auch noch mit gleichgeschlechtlichen Eltern lebt, können manche Fragen eine zusätzliche Dimension erhalten, wie die australische Filmemacherin Maya Newell in „Gayby Baby“ zeigt. Newell, selbst Kind eines lesbischen Paars, begleitet in ihrer Langzeitdokumentation drei Jungen und ein Mädchen samt ihren Familien mit der Kamera. Konsequent lässt sie nur die Kinder zu Wort kommen und fokussiert damit auf eine Perspektive, die in der gesellschaftlichen Debatte um die Homo-Ehe und die Rechte von Regenbogenfamilien bislang vernachlässigt wurde. Schnell wird dabei deutlich, dass sich der Familienalltag der jungen Protagonisten kaum von dem ihrer Altersgenossen unterscheidet. Da kommt die Zahnfee, wird der erste Bartwuchs zum Thema, werden Grenzen gesetzt und überschritten und individuelle Herausforderungen gemeistert. Der elfjährige Graham und sein Bruder, von den leiblichen Eltern schwer vernachlässigt, wurden von einem schwulen Paar adoptiert. Erst danach hat Graham Sprechen gelernt, noch Jahre kämpfte er mit Lernproblemen. Jetzt ist die Familie nach Fidschi gezogen, wo Homosexualität gesellschaftlich nicht akzeptiert ist, weshalb sich seine Väter nicht outen wollen. „Es gibt auch gute Lügen“, beruhigt sich Graham und findet damit einen Frieden, den der gleichaltrige Matt nicht hat. Ihn treibt das Thema um, dass seine gläubigen Mütter nach Auffassung der Kirche in Sünde leben. Eine Sichtweise, die ihn und seinen Glauben bis ins Mark erschüttern. „Keiner hat eine Familie wie ich“, weiß auch die 12-jährige Ebony, die wegen ihrer Mütter schon gemobbt wurde. Sie möchte Sängerin werden. Aber nicht nur deshalb hofft sie, dass sie an der renommierten Newtown School of Performing Art angenommen wird. Das Mädchen glaubt, dass seine Familie im liberalen Newtown besser akzeptiert wird als im bisherigen Wohnviertel. Spätestens damit wird der Film hochpolitisch, wenngleich das nicht das erklärte Ziel der Filmemacherin ist. Haben die Kinder nämlich selbst kein Problem damit, dass sie zwei Mütter oder zwei Väter haben, verdeutlichen ihnen die Reaktionen der Außenwelt doch immer wieder, dass ihre Familien nicht „normal“ sind, im Sinne von Vater, Mutter, Kind. Als die Idee zu diesem Film entstand, wurde die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare in Australien gerade besonders kontrovers diskutiert. Die Gleichstellung scheiterte auch am Widerstand der damaligen sozialdemokratischen Premierministerin Julia Gillard, die Matt und seine Familie im Film zu Gespräch treffen. Auch „Gayby Baby“ sorgt selbst in Newells Heimatland für Schlagzeilen. Ein Kommentar im konservativen „Daily Telegraph“ verhinderte eine Schulaufführung. Dabei gehört dieser Film in jede Schule, weil er nicht nur ein Plädoyer für mehr Toleranz und für andere Lebensentwürfe ist, sondern auch eindrücklich zeigt, dass funktionierende Familien und liebevolle Erziehung nichts mit der sexuellen Ausrichtung der Eltern zu tun haben. Oder wie es Ebony im Film ausdrückt: „Die Menschen, die dich zu dem machen, der du heute bist, die sind deine Familie.“
Kommentar verfassen

Kommentieren