Drama | Tschad/Frankreich 2013 | 95 Minuten

Regie: Mahamat-Saleh Haroun

Ein junger Mann aus dem Tschad, der ein Holzbein nachzieht, verdient sich trotz seiner Behinderung ein kleines Zubrot als Tänzer in einem Nachtclub. Er verliebt sich eine Prostituierte, deren Zuhälter die Liaison mit Argwohn verfolgt, und lässt sich mit einem Gangster ein, für den er Benzin aus Burkina Faso schmuggeln soll. Ein beherztes, politisch engagiertes, dabei alles andere als hektisch inszeniertes Drama, dessen märchenhaft-utopischer Schluss mit manchen kolportagehaften Zügen versöhnt. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
GRIGRIS
Produktionsland
Tschad/Frankreich
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Pili Films/Goï Goï Prod./France 3 Cinéma
Regie
Mahamat-Saleh Haroun
Buch
Mahamat-Saleh Haroun
Kamera
Antoine Héberlé
Musik
Wasis Diop
Schnitt
Marie-Hélène Dozo
Darsteller
Souleymane Démé (Grigris) · Anaïs Monory (Mimi) · Cyril Guei (Moussa) · Marius Yelolo (Onkel) · Hadjé Fatimé N'Goua (Mutter)
Länge
95 Minuten
Kinostart
09.04.2015
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Beherztes, politisches engagiertes Drama des tschadischen Regisseurs Mahamat-Saleh Haroun.

Diskussion
Einmal ist Grigris’ lahmes Bein ein Maschinengewehr, er klemmt es sich unter den Arm und schießt im Rhythmus des pulsierenden Dancefloor-Gewitters in die begeistert johlende Menge. In „Grigris Glück“, Mahamat-Saleh Harouns fünftem Spielfilm, beschränkt sich die Präsenz des Bürgerkrieges im Tschad auf solche, sehr subtile Andeutungen. Das Leben, Grigris’ Leben, in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad, wird von anderen Parametern bestimmt. Da wäre zuallererst das Geld. Eigentlich lebt Grigris’ ganz gut, er arbeitet mit im bezaubernd altmodischen Fotostudio seines Stiefvaters und verdient sich nachts, als charismatischer Tänzer in einem Club, etwas Geld dazu. Aber dann wird sein Ziehvater krank, Grigris’ Mutter kann die hohe Summe, auf die sich die Krankenhauskosten belaufen, nicht aufbringen. Das Fotostudio, das der Stiefvater Grigris’ noch vom Krankenbett aus vererbt, wird in einer digitalen Zukunft nicht lange überleben. Um schnell an so viel Geld zu kommen, bleiben also nur illegale Wege: Grigris beginnt, für Moussa zu arbeiten, den Besitzer des Nachtclubs, in dem Grigris tanzt. Da wäre des Weiteren: Die Liebe. Viel Raum für sie ist nicht da, unter diesen Umständen, aber wie das eben so ist, im Film und in der Liebe und vielleicht auch im Leben, schlägt sie natürlich genau in diesem Moment zu. Die schöne Prostituierte Mimi lässt sich fotografieren von Grigris im Studio, vor einer Tapete mit Strand und Palmen, im Bikini. Für einen Modelwettbewerb seien die Bilder, sagt sie. Sie kennt Grigris schon, von der Tanzfläche. Sie schätzt es, dass er sie weder bedrängt noch verurteilt. Grigris macht nicht viele Worte, er lächelt eher breit, dann ist das abgebrochene Eck eines Schneidezahns zu sehen. Mahamat-Saleh Haroun verknüpft in „Grigris’ Glück“ eine Genreerzählung – inklusive Verfolgungsjagden, Suspense und Gewalt – mit quasi dokumentarischer Beobachtung und einer klassischen Romeo-und-Julia-Liebesgeschichte. Die Mischung wirkt intuitiver, unmittelbarer, freier und nicht so perfekt konfektioniert für den europäischen Arthouse-Markt wie sein Vorgänger „Un homme qui crie – Ein Mann, der schreit“ (fd 40 373), der 2010 in Cannes mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde und in langsamen, wunderschönen, aber auch ein bisschen aseptisch komponierten Bildern vorüberzieht. Das Tanzen löst der Regisseur und Autor aus dem Tschad, der in Frankreich Journalismus und Film studiert hat, zunehmend aus Handlungszusammenhängen: Grigris tanzt virtuos auf einer Theaterbühne vor leeren Stühlen, er tanzt auf einem Dach – das ist dann schon mehr Traum als Wirklichkeit. Zusammen mit den dokumentarischen Sequenzen, dem Benzinschmuggel etwa, der in Zeit- und Handlungsabläufen realistisch im Dunkel der Nacht inszeniert ist, ergibt das eine aufregend heterogene Spannung. Die Schauspieler agieren überzeugend. Insbesondere der Hauptdarsteller Souleymane Deme, der auf dem Filmfestival in Dubai mit dem Preis als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde: in seiner ersten Rolle strahlt er eine beeindruckende Ruhe und Sicherheit aus. „Grigris Glück“ ist nach „Abouna – Der Vater“ (2002; fd 36 468), „Darrat – Trockenzeit“ (2006; fd 38 331) und „Un homme qui crie – Ein Mann, der schreit“ bereits der vierte Film von Mahamat-Saleh Haroun, der in deutschen Kinos startet. Wie die Vorgänger bietet er eine beeindruckende Binnensicht auf Afrika, auf das afrikanische Leben in einer Großstadt wie, am Ende, auf dem Land. Ein hellblauer Peugeot deutlich älteren Baujahrs wird zum Sinnbild der Gefahr, zum Sinnbild für Grigris’ skrupellose Verfolger. Als das Auto plötzlich in der Steppe auftaucht, ist das ein bedrohliches, bizarres, surreales Bild. Der Peugeot gehört hier nicht hin, sagt das Bild, wie auch seine Erbauer hier nichts zu suchen hatten: Das Ende, auch das Ende des hellblauen Peugeots, spricht für sich.
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