Heimatland (2015)

Episodenfilm | Schweiz/Deutschland 2015 | 99 Minuten

Regie: Jan Gassmann

Über der Schweiz braut sich eine rätselhafte Wolke zusammen, die elektrische Geräte stört und auf eine geradezu endzeitliche Katastrophe zusteuert. In diese Rahmenhandlung sind ein knappes Dutzend Kurzfilme eingeflochten, die von den unterschiedlichen Reaktionen der Schweizer auf das mysteriöse Naturphänomen erzählen. Insgesamt zehn junge helvetische Filmschaffende setzen sich in dem symbolisch aufgeladenen Omnibusfilm mit Ängste und Hoffnungen, aber auch den politischen und sozialen Konsequenzen des Rechtsrucks in ihrem Land auseinander. Die vielsagende, optisch brillante Bestandsaufnahme verdichtet formal geschickt die unterschiedlichen Sicht- und Herangehensweisen, wodurch der heterogene Film wie aus einem Guss wirkt. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
HEIMATLAND
Produktionsland
Schweiz/Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
2:1 Film/Contrast/Passanten
Regie
Jan Gassmann · Michael Krummenacher · Lisa Blatter · Gregor Frei · Benny Jaberg
Buch
Lisa Blatter · Gregor Frei · Jan Gassmann · Benny Jaberg · Carmen Jaquier
Kamera
Simon Guy Fässler · Denis Lüthi · Gaetan Varone
Musik
Dominik Blumer
Schnitt
Kaya Inan
Darsteller
Luna Arzoni (Alice) · Nicolas Bachmann (Silvan) · Egon Betschart (Roger) · Soumeya Ferro-Luzzi (Nina) · Morgane Ferru (Livie)
Länge
99 Minuten
Kinostart
28.07.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Episodenfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Arsenal (16:9, 1.78:1, DD5.1 Schweizerdeutsch)
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Schweizer Omnnisbusfilm junger Filmschaffender, die sich im Gewand eines Katastrophen-Thrillers mit dem Rechtsruck in ihrer Gesellschaft auseinandersetzen.

Diskussion
Eine Wolke schiebt sich über die Schweiz. Sie formt sich frühmorgens in den innersten Schweizer Alpen, dem Gotthard-Massiv. Am „Urquell“ der Schweiz sozusagen, da, wo die vier in die verschiedenen Landesteile führenden Flüsse Rhone, Reuss, Rhein und Ticino entspringen. Leise heult der Wind. Feine Wasserschleier geistern aus tiefer Felsenkluft. Kringeln sich über munter sprudelnden Rinnsalen, entschweben gemächlich in die Lüfte. Ein hübsches Naturschauspiel ist das, still beobachtet von Reh und Krähe. Leise säuselt der Soundtrack, verzögert setzt die Musik ein, in den ersten Takten auf Traditionelles verweisend. Doch die Idylle trügt. Sie ist bloß der Boden, aus dem heraus eine düstere Dystopie erwächst. „Heimatland“ ist ein Omnibusfilm von zehn Schweizer Filmemachern: zwei Frauen, Lisa Blatter und Carmen Jaquier, und acht Männern. Initiiert wurde das Projekt von Michael Krummenacher und Jan Gassmann, Absolventen der HFF München. Die hatten nach den Erfolgen der eidgenössischen Volksinitiativen „Gegen den Bau von Minaretten“ im November 2009 und „Gegen Masseneinwanderung“ im Februar 2014 ihre liebe Not, die mit den Abstimmungen verbundenen Themen wie Abschottung, Einigelung oder ein Klima der Angst ihren Mitstudenten verständlich zu machen. Diese Themen finden sich auch in „Heimatland“ wieder, auch wenn der Film explizit „keine Analyse der Politlandschaft“ vornimmt, wohl aber „hinter die sauber geputzten und frisch renovierten Fassaden von Schweizer Ideologien“ schauen will. Die Geschichte der Wolke, die sich binnen weniger Stunden bedrohlich düster über alle Landesteile ausbreitet und wie eine Isolierglocke über Helvetien hängt, bildet den Rahmen. Dem anfänglichen Staunen über das seltene Naturphänomen – der Film ist phasenweise ziemlich überwältigend – folgt die Bewusstwerdung einer Katastrophe. Erst warnen die Meteorologen vor einem aufziehenden Sturm. Nachdem elektromagnetische Entladungen zunehmend Störungen verursachen, alle elektrischen Geräte inklusive der Sicherheitssysteme ausfallen und der Flugverkehr eingestellt wird, herrscht Katastrophenalarm. In diese Story der wachsenden Wolke, die aus unerklärlichen Gründen exakt an der Landesgrenze stoppt, sind neun andere Geschichten hineingeflochten. Sie zeigen, wie sich die Schweizer angesichts der heraufziehenden Bedrohung verhalten. Die einen ignorieren den Sturm, andere verbarrikadieren sich ängstlich zu Hause. Manche feiern ekstatisch den Weltuntergang, ein paar wollen nur noch weg aus diesem offensichtlich dem Untergang geweihten Land. Ein Gemeinschaftswerk wie „Heimatland“, in dem verschiedene Stile und Handschriften zusammenfinden, birgt immer ein gewisses Risiko. Doch Krummenacher und Gassmann haben die anderen Filmemacher nicht nach Geschlecht, Sprachzugehörigkeit oder Herkunft ausgesucht, sondern unter den 23 eingesandten Exposés diejenigen ausgewählt, die am besten zum Wolken-Szenario passten. Das Resultat gibt ihnen Recht: „Heimatland“ wirkt in Stil und Look, aber auch inhaltlich wie aus einem Guss. Überdies ist der optisch brillante Film mitunter ungemein witzig, berührend und immer latent politisch, weil er als pointiert-geschliffene helvetische Gesellschaftssatire nicht nur vor einer Klimakatastrophe warnt.
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