Hinter den Wolken

Drama | Belgien 2016 | 109 Minuten

Regie: Cecilia Verheyden

Eine Frau in den Siebzigern erhält nach mehr als 50 Jahren Nachricht von einem Mann, der einst der beste Freund ihres eben erst verstorbenen Ehemanns sowie von ihr selbst war. Als er ihr seine unverminderte Liebe offenbart, lässt sie sich zunächst zögerlich auf eine Beziehung ein, erlebt bald neues Glück, jedoch auch Selbstzweifel und missbilligende Kommentare. Der unaufgeregt erzählten Altersromanze kommt es nicht auf Tabubrüche an, vielmehr erforscht sie einfühlsam die Zwiespälte einer späten Liebe. Mitunter etwas oberflächlich und auch nicht frei von eher schlichten Altersweisheiten, überzeugt das Regiedebüt durch vorzügliche Darsteller sowie die dezente Kameraarbeit. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ACHTER DE WOLKEN | AU-DELA DES NUAGES
Produktionsland
Belgien
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Eyeworks/Kinepolis Film Distribution/ÉÉN/Scio Prod./Les Films du Fleuve
Regie
Cecilia Verheyden
Buch
Michael De Cock
Kamera
Brecht Goyvaerts
Musik
Steve Willaert
Schnitt
Philippe Ravoet
Darsteller
Chris Lomme (Emma) · Jo De Meyere (Gerard) · Katelijne Verbeke (Jacky) · Charlotte De Bruyne (Evelien) · Lucas van den Eynde (Werner)
Länge
109 Minuten
Kinostart
20.10.2016
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein ausführliches „Making of“ (35 Min.).

Verleih DVD
Pandora (16:9, 1.78:1, DD5.1 fläm./dt.)
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Einfühlsames Porträt einer Ü-70-Romanze

Diskussion
„Will dich sehen.“ Nur drei Worte, um nach mehr als 50 Jahren eine Freundschaft wieder aufzunehmen, noch dazu verschickt über ein soziales Netzwerk – das kommt Emma schon etwas unbeholfen vor. Außerdem auch unangemessen, schließlich ist die seit Kurzem verwitwete Frau gerade dabei, anteilnehmende Kommentare zum Tod ihres Mannes Frederik durchzulesen. Kein Wunder, dass sie zunächst zurückscheut, auch wenn der Absender kein Unbekannter ist. Mit Anfang 20 war Gerard in Emma verliebt, musste aber seinem besten Freund Frederik den Vortritt lassen und verschwand danach aus ihrem Leben. Zögerlich stimmt Emma einem Treffen zu, lässt die erste Verabredung jedoch platzen und bricht die zweite mittendrin ab. Gerards unmissverständliche Signale, dass er sie noch immer liebe, verwirren Emma, stoßen sie sogar ab. Bis der über 70-Jährige eines Nachts vor ihrem Haus steht, einen Blumenstrauß in der Hand, und Steinchen an ihr Fenster wirft wie ein verliebter Teenager. Von seiner Leidenschaft berührt, regen sich auch bei Emma längst vergessene Gefühle. Sie lässt ihn herein, und die Altersromanze kann beginnen. Die Lebenserfahrung der Hauptfiguren und ihre unverminderte Neugier in Liebesdingen reiben sich im Regiedebüt der 1985 geborenen Belgierin Cecilia Verheyden produktiv aneinander. Emmas und Gerards Beziehung trägt viele Züge jugendlichen Überschwangs, wenn sie beide bei einem Ausflug im Meer herumtollen, sich gegenseitig kleine Zärtlichkeiten erweisen oder Emma gegenüber ihrer Tochter Ausreden erfindet, um sich mit ihrem Freund treffen zu können. Auf der anderen Seite lässt der unaufgeregt, mitunter auch etwas behäbig nach einer erfolgreichen Theatervorlage erzählte Film aber nie das Alter seiner Protagonisten vergessen. Als die beiden sich ein gemeinsames Hotelzimmer nehmen, gibt Gerard zuerst einen detaillierten Überblick seiner diversen körperlichen Wehwehchen; dieser eindrückliche Seelen-Striptease wirkt letztlich intimer als die folgende, nur angedeutete, Sexszene. Tabus durch Explizitheit brechen, wie etwa in Andreas Dresens „Wolke 9“ (fd 38 865), will die Regisseurin offenkundig nicht. Mit ihrer ernsthaften Erkundung des Wesens der Liebe im Alter schließt sie eher an Sarah Polleys „An ihrer Seite“ (fd 38 472) und Andrew Haighs „45 Years“ (fd 43 293) an, ohne freilich deren Tiefe zu erreichen. Dafür setzt sie die erfüllte Seniorenliebe in Kontrast zu den weniger glücklichen Erfahrungen der anderen Generationen: Sowohl Emmas Tochter Jacky als auch ihre Enkelin Evelien stecken in amourösen Krisen, reagieren aber höchst unterschiedlich auf die neue Liebe ihrer Mutter/Großmutter. Während Jacky ihr Verrat am gerade erst verstorbenen Vater vorwirft, zeigt Evelien durchaus Sympathie, allerdings auch, weil Emma sie frühzeitig einweiht. Einfühlsam setzt Verheyden dieses Dreigenerationen-Dilemma um, ebenso wie Gerards inhärentes Gefühl, nach einem Leben mit beruflichem Erfolg, aber privaten Fehlschlägen ein Anrecht auf das lange vorenthaltene Glück mit seiner Jugendliebe zu haben. „Hinter den Wolken“ konzentriert sich in der Abbildung dieser Beziehung auf die Gegenwart und kommt mit nur einer Rückblende aus. Das lässt die Figur des verstorbenen Frederik ein wenig dünn erscheinen, sodass sich nicht immer vermittelt, warum Emma und Gerard erst nach seinem Tod zueinanderfinden; es verleiht ihrer späten Liaison aber größere emotionale Ausstrahlung. Verzichtbar wäre allerdings eine Tendenz zu arg banalen Weisheiten à la „Männer werden mit den Jahren besser, wie guter Wein“ gewesen. In solchen Momenten wähnt man sich eher in einem konventionellen Rührstück, während Verheydens unaufdringliche Inszenierung, die dezente Kameraarbeit von Brecht Goyvaerts und die souveränen Darsteller Chris Lomme und Jo De Meyere dem doch an sich souverän entgegensteuern.
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