Immer noch jung - 15 Jahre Killerpilze

Musikdokumentation | Deutschland 2017 | 112 Minuten

Regie: David Schlichter

In der schwäbischen Provinz gründen vier junge Musiker Anfang der 2000er-Jahre die Popband „Killerpilze“, die mit ihrem Power-Pop von der Musikindustrie entdeckt und mit großem Erfolg als Gegenentwurf zu „Tokio Hotel“ aufgebaut wurde. Die spannende, sehr aufschlussreiche Dokumentation über Höhen und Tiefen der Do-it-yourself-Musiker erzählt mit viel Home-Movie-Material aus der Innenperspektive der Band von ihrem kometenhaften Aufstieg, den Erfahrungen im Musikgeschäft und wie es ihnen auch in der Krise gelang, Erwachsenwerden, Studium und Musik unter einen Hut zu bringen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Nordpolaris
Regie
David Schlichter · Fabian Halbig
Buch
Fabian Halbig
Kamera
David Schlichter
Musik
Killerpilze
Schnitt
David Schlichter
Länge
112 Minuten
Kinostart
05.10.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Musikdokumentation
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein 12-seitiges Booklet zum Film.

Verleih DVD
Studio Hamburg (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
Studio Hamburg (16:9, 1.78:1, dts-HDMA dt.)
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Spannender Dokumentarfilm über die Höhen und Tiefen der Punk-Band "Killerpilze"

Diskussion
Erinnert sich noch jemand an die Musikband „Killerpilze“? Das Teenie-Quartett aus Dillingen an der Donau hatte seine große Zeit 2006/2007, als sein dynamischer Power-Pop mit leichtem Punk-Einschlag europaweit sehr populär war und die Band sich als „authentischer“ Gegen-Entwurf zu „Tokio Hotel“ prächtig vermarkten ließ. Alben wie „Invasion der Killerpilze“ (2006) und „Mit Pauken und Raketen“ (2007) schafften es damals in den Top 20 der Albumcharts. Und dann? Überraschenderweise sind die Killerpilze noch immer als Band aktiv! Und da der Schlagzeuger Fabian, seinerzeit das Nesthäkchen der Band, mittlerweile an der HFF München studiert hat, erzählt „Immer noch jung“ die aberwitzige Geschichte der Killerpilze gewissermaßen aus der Binnenperspektive der Musiker. Und: Diese Geschichte ist erstaunlich spannend! Sie beginnt mit einer ziemlich altmodischen Form der Selbstermächtigung. Johannes „Jo“ Halbig, Sohn eines Kirchenmusikers mit reichlich musikalischer Früherziehung, beschloss im Jahr 2002, in der Provinz, Popmusik zu machen. Auf der Suche nach geeigneten Mitstreitern fand er in der nächsthöheren Klasse den Bassisten „Schlägi“, einen erklärten Punk-Rock-Fan. Als zweiter Gitarrist kam nur „Mäx“ in Betracht, denn der hatte schon Gitarrenunterricht. Und weil Jos kleiner Bruder „Fabi“ (Jahrgang 1992) zu Weihnachten ein Schlagzeug geschenkt bekommen hat, war dieses Problem fürs Erste auch gelöst. Die Killerpilze legen los – und weil man sich offenbar auch damals schon sehr gerne selbst beim Leben zugesehen hat, verfügt der Film über Archivmaterial galore. Der Beginn der Karriere fiel herzerfrischend grauenhaft aus. Die „Killerpilze“ sind eine enthusiastische Garagenband, die angeblich „irgendetwas mit Punk“ zu tun haben, obwohl es sich um vier ernüchternd normale Jugendliche handelt, die fast alles und besonders sich selbst für „geil“ bis „megageil“ halten. Having a good time! Ästhetisch gibt es keinen Plan, die Band ist nicht rebellisch, sondern wird von den Eltern liebevoll gepampert. Die Punk-Band als Alternative zum Fußballverein. Papa fährt, und der Produzent verfährt mit dem musikalischen Material bei den ersten Plattenaufnahmen nach Gutsherrenart. Durch sehr viele Live-Auftritte wird die Band in der schwäbischen Provinz allmählich so bekannt, dass das Majorlabel „Universal“ in Berlin auf sie aufmerksam wird. Jetzt beginnt die große Maschine abzulaufen: Die Killerpilze finden ab sofort bei „Bravo“, „Viva“ und bei Stefan Raab statt; „Invasion der Killerpilze“ verkauft 140.000 CDs. Es folgen eine große Deutschland-Tournee und erste Auftritte im Ausland. In den Medien und gegenüber den kreischenden weiblichen Fans gibt sich die Band jung, unbedarft und sehr zugänglich; alles „megageil“ bis unwirklich. Auf dem Höhepunkt des Erfolges erinnert sich Punk „Schlägi“ plötzlich, dass er einem anderen Ethos als dem Kommerz verpflichtet ist, weshalb er die Band verlässt. Das sieht der Businessplan der „Teen Stars“ eigentlich nicht vor, doch „Schlägi“ vertritt seine Entscheidung im Film sehr glaubhaft, weil wortkarg. Die restlichen Killerpilze, wohl erzogen, funktionieren, machen als Trio weiter, doch der Erfolg lässt nach, weil sich das Image der „lustigen Teenie Punk-Rocker“ nicht strecken lässt und Band wie Fans älter werden. Bei „Universal“ sieht man dies trotz all der Sympathie eher nüchtern und trennt sich schließlich von de Musikern, weil die auf kreative Promotion-Konzepte wie ein ABBA-Coveralbum oder eine Namensänderung nicht einsteigen wollen. Im Frühjahr 2009, als zwei der drei Musiker mittlerweile volljährig sind, werden die Killerpilze de facto „independent“ und beschließen trotzdem weiter zu machen. Mit eigenem Label und im Rückgriff auf den alten Enthusiasmus als Garagenband. Aber der Weg von den Höhen des gefeierten Popstartums zur Ochsentour durch die kleinen Clubs und Jugendzentren erweist sich alles andere als einfach, zumal die Musiker sich jetzt um alles selbst kümmern und nebenher auch noch eine berufliche Existenz jenseits der Musik aufbauen müssen. Nach dem Schulabschluss studierte Jo Kommunikationswissenschaften, Mäx arbeitet in der Werbung und als Produzent bzw. Komponist für andere Musiker, Fabi studierte Filmproduktion und jobbt als Schauspieler („Die Vorstadtkrokodile“). Obwohl die Killerpilze längst keinen Punk-Rock mehr spielen, haben sie sich in mehrfacher Hinsicht eine Unabhängigkeit erarbeitet, die fast schon exemplarisch für das Do-it-yourself-Ethos des Punk steht. Man muss die Musik der Killerpilze nicht mögen, um diese Dokumentation ihrer Karriere mit allen Höhen und Tiefen spannend und interessant zu finden. Wo Bob Dylan einst die sich in der Rockmusik manifestierende ewige Jugend mythisch beschwor („Forever young“), können die „Killerpilze“ nach circa drei Karrieren im Musikgeschäft noch immer in den Spiegel schauen und erfreut feststellen: „Immer noch jung“.
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