Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 95 Minuten

Regie: Karin Jurschick

Dokumentarischer Essay-Film, der sich in Zeiten asymmetrischer Kriege dem Komplex "Krieg und Spiele" nähert und daraus laufend neue ethische, philosophische, soziologische, technologische und auch bellizistische Fragen entwickelt. Da die Entwicklung autonomer Systeme ("Drohnen") mit Fragen nach der Künstlichen Intelligenz verbunden ist, begibt sich die Regisseurin auf eine Reise durch verschiedene Forschungsinstitute und lässt sich über diverse Aspekte des Themenkomplexes aufklären. Dabei lässt der höchst anregende Film denkbare moralische Haltungen weitgehend außen vor, hält sich mit eigenen Thesen zurück und steckt eher den Horizont des bereits Existierenden und Denkbaren ab. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Bildersturm Filmprod./ZDF/3sat
Regie
Karin Jurschick
Buch
Karin Jurschick
Kamera
Johann Feindt
Schnitt
Marc Schubert
Länge
95 Minuten
Kinostart
18.08.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Verleih DVD
good!movies
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Komplexes Dokumentarfilm-Essay auf den Spuren der Künstlichen Intelligenz

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Begeistert spielt ein Junge in der Wüste mit einem ferngelenkten Modellflugzeug. Unvermittelt taucht ein futuristisch aussehender unbemannter Flugapparat auf und nimmt den Junge fotografisch in den Blick. Der Junge beginnt zu laufen. Ein prägnantes Bild, wie Karin ­Jurschick auch gedacht haben muss, denn diese zugespitzte Inszenierung taucht noch ein weiteres Mal in ihrem Film auf. In einer großen Bewegung und aus einer Vielzahl durchaus widersprüchlicher Perspektiven nähert sich die Dokumentaristin dem Komplex »Krieg und Spiele«, denn was einst als Modellflieger-Hobby begonnen haben mag, hat sich spätestens in der Ära neuer, asymme­trischer Kriege zu einem Forschungsfeld entwickelt, in dem sich laufend neue ethische, philosophische, soziologische, technologische und auch belli­zistische Fragestellungen ergeben. Die Entwicklung autonomer Systeme, so genannter Drohnen, ist aufs Engste mit Fragestellungen der Künstlichen Intelligenz verbunden. Karin Jurschick hat sich auf die Reise durch verschiedene Forschungsinstitute und Think Tanks begeben und sich von Experten über diverse Aspekte des Themenkomplexes (mitunter sich etwas zu naiv gebend) aufklären lassen. In Israel trifft sie auf Entwickler modernster Drohnen, die Beispiele dafür liefern, dass diese Waffen dazu taugen, Terroristen direkt zu attackieren und dabei die Kollateralschäden möglichst gering zu halten. Denkbare moralische, gar pazifistische Haltungen hält Jurschick erst einmal auf Distanz, um den Horizont ihrer mitunter an die späten Arbeiten Alexander Kluges erinnernden Recherche nicht einzuschränken. In asymmetrischen Kriegen, die nicht mit regulären Streitkräften geführt werden, lautet – zumal nach 9/11 – die Strategie: Antizipation durch Überwachung und Big Data. Was ethische Fragestellungen auf den Plan ruft, wenn Gefahr in Verzug scheint. So weitet Karin Jurschick kontinuierlich ihren Blick: zunächst auf den Zusammenhang zwischen technologischem Fortschritt und realitätsnahem Design von Computerspielen, der längst schon nicht einseitig verläuft, dann auf den Zusammen­hang zwischen Militär und Entertainment, der dazu führt, dass ein Spieleentwickler wie Dave Anthony (»Call of Duty: Black Ops I & II«) plötzlich für Regierungskreise zum intere­ssanten Gesprächspartner wird. Später wird deutlich, dass eine intensive Spielpraxis im Umgang mit einschlägigen Spielen schon als Training für späteren Militärdienst im Drohnenkrieg eingeschätzt wird. ­Dieser gilt einem Politikwissenschaftler wie Herfried Münkler als adäquates Instrument für die moderne, post-heroische Gesellschaft, die sich mit den Möglichkeiten einer Rationalisierung des Kriegs auseinandersetzt. Tatsächlich ist nachvollziehbar, dass autonome Kampfroboter hier eine Alternative zum für die »Dehumanisierung« des Kriegs anfälligen Menschen darstellen. Die Frage ist, inwieweit die Entwicklung künstlicher Intelligenz einmal dazu führen wird, dass der Mensch auch am Joystick der Drohne überflüssig wird, weil die Maschine selbst in der Lage ist, Entscheidungen und zwar unter Einbezug ethischer Programme zu fällen. Wer kontrolliert solche Entwicklungen? Karin Jurschick hält sich mit eigenen Thesen erstaunlich zurück, sie scheint mehr daran interessiert, den Horizont des bereits Existierenden und Denkbaren abzuschreiten. Früh schon wird im Film einmal gesagt, dass Technokraten, die all diese Fragen ohne Rücksicht auf ethische Fragestellungen allein nach Maßgabe des Machbaren verhandeln, durchaus zur Sorge Anlass geben. Andererseits – und hier kommt wieder der Titel ihres Filmessays ins Spiel – zeigt sie ziemlich deutlich, dass die Befasstheit mit dem technologischen Fortschritt immer auch etwas Spielerisches und Kreatives hat, wenn es darum geht, bestimmte Probleme in gewissen Konstellationen zu lösen. Fraglich jedoch, ob technologischer Fortschritt allein die grundlegenden Probleme löst, zu deren Lösung er angetreten ist. Auch hier ist der aktuelle Drohnenkrieg ein gutes Beispiel, denn im Rahmen der Stabilisierung asymmetrischer Verhältnisse scheint die Idee des Friedens verloren gegangen zu sein.
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