Drama | Indien 2015 | 89 Minuten

Regie: Sudhanshu Saria

Ein aufstrebender indischer Musikproduzent will mit einem Jugendfreund, der für einige Tage aus den USA nach Mumbai kommt, ein romantisches Wochenende im Whestgats verbringen, einem prächtigen Gebirge im Westen Indiens. Doch so richtig kommen die beiden nicht zusammen, da der erfolgreiche Geschäftsmann infolge des Jetlags entweder schläft oder am Telefon hängt, um einen großen Deal abzuschließen. Eine intensive, von zwei großartigen Hauptdarstellern getragene Liebesgeschichte, mit leichter Hand prägnant, subtil und humorvoll inszeniert. Dabei könnte das glaubwürdig entwickelte Drama über einen flüchtigen Moment des Glücks kaum weiter vom opulent-pathetischen Bollywood-Stil entfernt sein. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LOEV
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Bombay Berlin Film Prod./Four Line Films
Regie
Sudhanshu Saria
Buch
Sudhanshu Saria
Kamera
Sherri Kauk
Musik
Tony Kakkar
Schnitt
Nitesh Bhatia
Darsteller
Dhruv Ganesh · Siddharth Menon · Shiv Pandit (Jai) · Rishabh R. Chaddha · Dixit
Länge
89 Minuten
Kinostart
12.05.2016
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Liebesfilm
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Romantisches Liebesdrama um zwei junge Inder, die ein Wochenende miteinander verbringen wollen.

Diskussion
Gegen Ende küssen sie sich dann doch noch einmal. Der junge Musikproduzent Sahil und der smarte, bollywoodschöne Manager Jai, das ungleiche Paar, das der indische Regisseur Sudhanshu Saria in seinem Spielfilmdebüt für eine Wochenend-Amour-fou zusammengeführt hat, zwei Männer, legen in Großaufnahme die Lippen aufeinander. Im indischen Kino eine kleine Sensation! Trotz zahlreicher Fortschritte ist Homosexualität in weiten Teilen der indischen Bevölkerung nach wie vor ein Tabu. Der aus der britischen Kolonialzeit stammende Paragraph 377 stellt Homosexualität unter Strafe. Derzeit überprüft der Oberste Gerichtshof, ob der 2009 schon einmal durch eine Gerichtsentscheidung für vier Jahre außer Kraft gesetzte Paragraph gegen die Verfassung verstößt. „Loev“ ist nicht der erste indische Film, der sein Publikum mit einem schwulen Liebespaar konfrontiert. Es gab schon „Mango Soufflé“ (2002) und „Honeymoon Travels“ (2007). In „Dunno Y... Na Jaane Kyon“ (2010) von Sanjay Sharma küssten sich in Bollywood erstmals zwei Männer auf der Leinwand. So unaufgeregt, selbstverständlich und realistisch wie in „Loev“ war die Liebe zwischen zwei Männern im indischen Kino allerdings noch nicht zu sehen. Die Inszenierung der Liebesszenen, die aus westlicher Warte zurückhaltend anmutet, wirkt in Indien außergewöhnlich freizügig. Soziokulturell hätte „Loev“ also das Zeug zum Meilenstein; ähnlich wie „Dunno Y... Na Jaane Kyon“, der als indische „Brokeback Mountain“-Version gefeiert wurde, ehe er ziemlich sang- und klanglos aus den Kinos verschwand. Aus cineastischer Sicht war dieser Vergleich allerdings so, als würde man „Lindenstraße“ und „Twin Peaks“ auf eine Stufe heben. „Loev“ hingegen ist nicht etwa sehenswert, weil er an einem Tabu rührt, sondern weil er mit einfachen, prägnanten filmischen Mitteln und zwei großartigen Hauptdarstellern eine glaubwürdige, intensive Liebesgeschichte erzählt. Vom opulent-pathetischen Bollywood-Stil könnte das Debüt kaum weiter entfernt sein. Der Filmemacher, der in den USA studierte und für den „Loev“ auch sein persönliches Coming-out bedeutet, orientiert sich atmosphärisch eher an der Nouvelle Vague und am US-Independent-Kino. Mit doku-wackliger Handkamera begleitet er Sahil zum Flughafen in Mumbai, wo er Jai abholt; offenbar ein alter Jugendfreund und eine große, unglückliche Liebe. Eigentlich wohnt und lebt Sahil mit dem chaotischen, heillos überzeichneten Alex zusammen. Sahil lässt jedoch alles stehen und liegen, als er hört, dass Jai geschäftlich in Mumbai zu tun hat; – für beide eine willkommene Gelegenheit, das Wochenende miteinander zu verbringen. Bei ihrem Trip in die Whestghats weitet sich der Kamerawinkel zu einer ruhigen, überwältigenden Western-Optik. In der Natur, abseits der Metropole und aller gesellschaftlicher Zwänge genießen die beiden zwar keineswegs ihre ungestörte Zweisamkeit. Denn Jais Jetlag wirkt sich auf seinen Schlafrhythmus aus. Wenn Jai mal wach ist, hängt er ständig am Handy oder sitzt vor dem Laptop. Einen romantischen Ausflug hat sich Sahil anders vorgestellt. In den gewaltigen, übermächtigen Landschaftspanoramen wirken die beiden verloren und entzweit. Erst spät finden sie vor prachtvoller Kulisse auf einem Felsen zueinander. Es bleibt bei einer kurzen, flüchtigen Ahnung von Glück, ehe zurück in Mumbai, bei Jais Geschäftspartnern und Sahils Lebenspartner, alle Illusionen schmerzlich zerrieben werden. Die unheilvolle Dynamik, die sich zwischen den von Dhruv Ganesh und Shiv Pandit charmant verkörperten Liebenden entfaltet, dominiert den Film. Sudhanshu Saria inszeniert das jedoch nicht als dräuendes Drama, sondern mit leichter Hand, humorvoll- subtil. Obwohl er die indische Gesellschaft mit ihren sozialen Problemen weitgehend ausgeblendet ist, da Jai und Sahil in Mumbai fast nur nachts unterwegs sind, in teuren Hotelzimmern, im schicken BMW-Cabriolet, am Flughafen, bleibt sie dennoch allgegenwärtig. Ausgerechnet der in New York lebende Jai schleppt sie hinter der Fassade des coolen Businessman ständig mit sich herum. Es sind nur kleine, eingestreute Momente, hier ein missbilligender Blick, dort eine spitze Bemerkung, die jenes beengende, bedrohliche Klima erzeugen, von dem sich Jai im Gegensatz zu Sahil nicht freimachen kann. Ein zärtlicher, leidenschaftlicher Kuss kann da allenfalls ein Anfang sein.
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