Mahana - Eine Maori-Saga

Drama | Neuseeland 2016 | 102 Minuten

Regie: Lee Tamahori

Ein 14-jähriger Maori stellt zu Beginn der 1960er-Jahre die jahrhundertealten Denkweisen und Strukturen seiner patriarchalischen Familie in Frage. Mit seinem traditionsbewussten Großvater liefert er sich eine permanente Auseinandersetzung, die zu eskalieren droht, als sich der Junge in die Tochter einer verfeindeten Sippe verliebt. Eine geradlinig inszenierte, einnehmend erzählte Familiensaga aus Neuseeland mit eindrücklichen Figuren. In den persönlichen Schicksalen geht es dabei stets auch um die Marginalisierung der indigenen Bevölkerung, die durch die Weißen zu Menschen zweiter Klasse degradiert wurden. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MAHANA
Produktionsland
Neuseeland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
The Patriarch Ltd.
Regie
Lee Tamahori
Buch
John Collee
Kamera
Ginny Loane
Musik
Mahuia Bridgman-Cooper · Tama Waipara
Schnitt
Michael Horton · Jonathan Woodford-Robinson
Darsteller
Temuera Morrison (Tamihana Mahana) · Akuhata Keefe (Simeon Mahana) · Nancy Brunning (Ramona Mahana) · Jim Moriarty (Rupeni Poata) · Regan Taylor (Joshua Mahana)
Länge
102 Minuten
Kinostart
01.09.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Prokino (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Familiendrama aus den 1960er-Jahren um einen mutigen Maori-Jungen, der sich nicht dem patriarchalen System seines Großvaters beugen will.

Diskussion
Was Tamihana Mahana sagt, ist Gesetz. Nur Gott wird in seiner Familie noch ein wenig mehr gefürchtet. „Ja, Vater!“, „Ja, Großvater!“, so die tägliche Litanei. Tamihana ist unantastbar, und die Legenden, die über ihn erzählt werden, festigen seine Macht. Mit leeren Händen, heißt es, sei er, ein Māori, einst im Osten Neuseelands angekommen, und habe es mit harter Arbeit zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Und seit jeher bestehe die hasserfüllte Fehde zwischen den Mahanas und dem Clan der Poatas, die ebenfalls als Schafscherer ihr Geld verdienen. Niemand hinterfragt diese Geschichten und Familienstrukturen, niemand außer dem 14-jährigen Simeon: Warum, will er wissen, kann sein Großvater bestimmen, ob seine Tante Miriam ihre große Liebe Pani heiraten darf? Wieso dürfen seine Eltern kein Land kaufen? Und was hat es mit dem Foto auf sich, das seine Großmutter Ramona als junge Frau neben Tamihanas Erzfeind Rupeni Poata zeigt? Seine unerhörten Fragen erschüttern zunehmend das Fundament der Großfamilie. Die Geschichte spielt zu Beginn der 1960er-Jahre, und auch der Film scheint formal wie inhaltlich ganz dieser Zeit verhaftet: Geradezu altmodisch inszeniert Lee Tamahori geradliniges und einnehmendes Erzählkino, das an Filme wie „Jenseits von Eden“ (fd 4194) oder „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (fd 7870), aber auch an klassische Western erinnert, weil die Protagonisten allesamt Pioniere sind. Es geht um die Besitznahme von Land und die Besiedlung einer Art „Frontier“, es geht um die Verdrängung der Ureinwohner, nur eben auf Neuseeland, an dessen rauer Schönheit sich die Kamera in ausgesuchten Einstellungen weidet. Weil die Saga in der Welt der Māori angesiedelt ist, erzählt der Film, der auf dem autobiografischen Roman „Bulibasha: King of the Gypsies“ des „Whale Rider“-Autors Witi Ihimaera basiert, mehr als nur von einer patriarchalischen Familie. Es ist auch die Geschichte der Māori selbst, die in ihrem eigenen Land zur ethnischen Minderheit und Menschen zweiten Klasse degradiert wurden. Dabei sind die Mahanas und Poatas durchaus etabliert. Sie leben noch auf dem Land, wurden von der offiziellen Politik noch nicht in die Städte getrieben wie ein, zwei Generationen später die Māori, von denen Tamahori 1994 in seinem Debüt „Die letzte Kriegerin“ (fd 31 528) erzählte. Doch auch hier ist die Diskriminierung sichtbar: Die Māori-Sprache wurde aus dem öffentlichen Leben verbannt, ihre Religion vom Christentum fast verdrängt, und dass nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, muss Simeon bei einem Gerichtsbesuch seiner Schulklasse miterleben. Die Angeklagten, allesamt Indigene, werden wegen Bagatellen zu Höchststrafen verurteilt. Kern des Films ist der Konflikt zwischen Tamihana und seinem Enkel Simeon, der, man mag es der Figurenzeichnung vorwerfen, ein für sein Alter überraschend, aber doch glaubwürdig aufrechter junger Mann ist. Er will sich nicht in die Strukturen fügen, die das Familienoberhaupt vorgibt, und die nur auf Machterhalt und Unterdrückung abzielen und somit auch auf die Marginalisierung der indigenen Bevölkerung verweisen. „Weißt du nicht, wo dein Platz ist?“, wirft ihm seine Mutter vor. Nur weil Tamahani ein Unternehmen gegründet hat und die Mahanas zu den besten Schafscherern des Landes gehören, könnten sie in Würde leben und müssten nicht etwa in Wellington die Wäsche der Weißen waschen. Doch Simeon ist der Enkel seines Großvaters und auf seine Art genauso beharrlich und unbequem. Er lässt sich nicht unterkriegen, auch als der Streit eskaliert und die Existenz seiner Familie auf dem Spiel steht. Er kuscht nicht vor Autoritäten und hört nicht auf, eigenständig zu denken und zu fragen. „Die Wahrheit ist, dass Männer um das, was sie wollen, kämpfen“, erklärt seine Großmutter Ramona einmal die „Tyrannei der Familie“. „Und was wolltest du?“, will Simeon von ihr wissen. Eine Frage, die ihr wohl noch nie gestellt wurde, und so erweist sich diese verstummte, aber doch unendlich starke Frau als untergründiges emotionales Zentrum des Films. Man kann nur hoffen, dass Simeon nie werden wird wie sein Großvater.
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