Mapplethorpe: Look at the Pictures

Dokumentarfilm | USA/Deutschland 2016 | 109 Minuten

Regie: Fenton Bailey

Dokumentarfilm über den Fotografen Robert Mapplethorpe (1946-1989), der vor allem mit seinen Aktfotografien und homosexuellen Motiven seine Zeitgenossen ebenso provozierte wie faszinierte. Der Film wartet mit reichlich Archivmaterial auf, das Interviews mit Mapplethorpe selbst sowie zahlreichen privaten und beruflichen Weggenossen versammelt und ein Bild des Künstlers vermittelt, das kritische Einschätzungen seines Umgangs mit Menschen nicht unterschlägt, vor allem aber seine Bedeutung für die Fotografie als Kunstform herausarbeitet. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MAPPLETHORPE: LOOK AT THE PICTURES
Produktionsland
USA/Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
HBO Documentary Films/Film Manufacturers/World of Wonder Prod.
Regie
Fenton Bailey · Randy Barbato
Buch
Fenton Bailey · Randy Barbato
Kamera
Huy Truong · Mario Panagiotopoulos
Musik
David Benjamin Steinberg
Schnitt
Langdon F. Page · Francy Kachler
Länge
109 Minuten
Kinostart
03.11.2016
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm | Künstlerporträt
Externe Links
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Informativer Dokumentarfilm über den Fotografen Robert Mapplethorpe (1946-1989)

Diskussion
Früher konnte man sich auf die Bigotterie der Republikaner noch verlassen. US-Senator Jesse Helms erwies einst dem Provokateur Robert Mapplethorpe kurz nach dessen Tod einen Gefallen, indem er seine Ausstellung schließen lassen wollte mit dem Argument, man müsse nur auf die Bilder schauen, um zu erkennen, mit welchem pornografischen Schund man es zu tun habe. Gleich am Anfang ihres Dokumentarfilms, gedreht für den Sender HBO, lassen die Macher Fenton Bailey und Randy Barbato keinen Zweifel daran, dass der 1989 mit nur 42 Jahren an Aids verstorbene Künstler den Kulturkampf gewonnen habe. Denn sechsstellige Auktionspreise für ein einziges Foto wie etwa für das explizite männliche Porträt „Man in Polyester Suit“ können nicht irren. Lässt man diese etwas plump kapitalistische Argumentationslinie außen vor, lohnt der Film dennoch vor allem wegen der Fülle an Archivmaterial, darunter auch frühe Interviews mit Mapplethorpe, der aus dem Off seine Entwicklung und Arbeitsweise kommentiert, und mit jeder Menge plaudernder Zeitzeugen, von den Geschwistern über Ex-Liebhaber bis zu Fachleuten aus dem Kunstbetrieb. Dass Mapplethorpe zu der Spezies überehrgeiziger, rücksichtsloser und verführerischer Egomanen gehörte, tut seinem chronologisch aufgefächerten Werdegang keinen Abbruch. Im Gegenteil. Man wähnt sich in einem gut gepfefferten Drama zwischenmenschlicher Abgründe – bekanntlich der beste Nährboden für aufwühlende Kunst. Noch gänzlich unbekannt, gab der frühreife Vorstadtjunge aus New Jersey gemeinsam mit seiner einzigen Geliebten Patti Smith im Chelsea Hotel zunächst den androgynen Bohemien und zugleich den um die Aufmerksamkeit der Außenwelt mit allen Waffen buhlenden Konkurrenten, konzentrierte sich nach der Trennung dann aber nur noch auf seine Homosexualität und wählte erst weiße, dann ausschließlich schwarze Männer als Liebhaber und Objekte seiner körperbetonten Fotografien. Diese kristallisierten sich nach den frühen Collagen aus Porno-Material allmählich als sein Markenzeichen heraus, und das, obwohl er nach Ansicht seines Vaters, eines Hobby-Fotografen, gänzlich unbegabt war. Die Beziehung zu einem älteren, dafür reichen Kunstsammler gab der Karriere des Enfant terrible den lang ersehnten finanziellen Schub. Er besorgte sich bessere Kameras, bekam entscheidende Kontakte und genoss den Ansturm von Promis wie Gloria von Thurn und Taxis oder Brooke Shields, die sich von ihm porträtieren lassen wollten. Das hielt ihn nicht davon ab, weiterhin täglich Darkrooms zu frequentieren und seinem jüngeren Bruder Edward, einem ausgebildeten Fotografen, zu verbieten, die eigenen Werke unter dem Namen Mapplethorpe auszustellen. Als Assistenten, der im Hintergrund seine Filme entwickelte, akzeptierte er den bis heute sichtlich Getroffenen dennoch. Auch die schwarzen Ex-Liebhaber haben den Künstler in keiner guten Erinnerung behalten. Interessiert wäre er nur an ihren wohlgeformten Körpern und ihrer Ghetto-Herkunft gewesen. Entsprachen sie nicht dem Klischee eines benachteiligten Opfers und glänzten sogar durch Bildung, beschimpfte er sie als verkappte Weiße. Ausfällig konnte er auch gegenüber Kunstkritikern werden, die sich einen Verriss erlaubten. Da griff er schon mal persönlich zum Hörer und ließ seiner Wut freien Lauf. Bei allen kritischen Zwischentönen überwiegt unter den Kuratoren und Museumsleitern dennoch das Bild eines zwar menschlich ambivalenten, aber rückständige Vorstellungen von Sexualität durch den Einsatz von Schock-Motiven aufbrechenden Genies, das für seine in die Praxis umgesetzten Ideale den hohen Preis eines verfrühten „Märtyrertodes“ bezahlen musste. Warum niemand Parallelen zu Andy Warhol zieht, der sich schon vor Mapplethorpe in Frauenkleidern ablichtete, Außenseiter wie Transsexuelle dekorativ um sich scharte, seine Musen kaltblütig fallen ließ, mit Prominenten-Bildern Kasse machte und selbst seine Attentat-Narben zur Schau stellte, ähnlich wie Mapplethorpe seinen von der Erkrankung gezeichneten Körper, bleibt schleierhaft. Aber der Aufstieg der lange belächelten Fotografie zur Kunstform lässt sich entlang des rasanten Erfolgs der aus dem Geist des Gay Rights Movement schöpfenden, sorgfältig komponierten Lichtreflexionen zwischen Eros und Thanatos mehr als schlüssig nachvollziehen.
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