Drama | Frankreich/Belgien 2013 | 89 Minuten

Regie: Nils Tavernier

Ein 17-jähriger Franzose, der im Rollstuhl sitzt, träumt davon, mit seinem Vater am Ironman-Triathlon in Nizza teilzunehmen. Es geht dabei nicht nur um ihn, sondern auch um seine Eltern, den arbeitslosen Vater und die ausgepowerte Mutter. Gegen alle Widerstände hält der Junge an seinem Vorhaben fest. Eine anrührende, stringent erzählte Geschichte über Empathie und Nähe, das Loslassen und den Mut, neue Schritte zu wagen. Dramaturgisch folgt der gut besetzte und gespielte Film freilich allzu bekannten Erzählmustern, weshalb viele Wendungen bis auf die dokumentarischen Sequenzen relativ vorhersehbar sind. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DE TOUTES NOS FORCES
Produktionsland
Frankreich/Belgien
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Nord-Ouest Films/Pathé/Rhône-Alpes Cinéma
Regie
Nils Tavernier
Buch
Laurent Bertoni · Pierre Leyssieux · Nils Tavernier
Kamera
Laurent Machuel
Musik
Barði Jóhannson
Schnitt
Yann Malcor
Darsteller
Jacques Gamblin (Paul Amblard) · Alexandra Lamy (Claire Amblard) · Fabien Héraud (Julien Amblard) · Sophie de Fürst (Sophie Amblard) · Pablo Pauly (Yphan)
Länge
89 Minuten
Kinostart
04.09.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Sportfilm
Externe Links
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Heimkino

BD und DVD enthalten eine Audiodeskription für Sehbehinderte.

Verleih DVD
Polyband (16:9, 1.85:1, DD5.1 frz./dt.)
Verleih Blu-ray
Polyband (16:9, 1.85:1, dts-HDMA frz./dt.)
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Diskussion
Vater und Sohn sehen gemeinsam „Rocky“ (fd 20 250). Stilecht mit einer Schüssel Chips sitzen sie abends vor dem Fernseher, Rocky steht blutend im Ring. Als der Sohn nicht an die Chips kommt, muss er den Vater mehrfach rufen, bis dieser die Schüssel ein winziges Stückchen hinüberstreckt. Hier spiegelt Nils Tavernier sein Sportfilm-Vorbild für „Mit ganzer Kraft“ schon fast ironisch: Winzige Schritte und vor allem Zähigkeit führen am Ende zum Erfolg. Julien ist behindert, von Geburt an; eine Diagnose liefert Tavernier, der auch das Drehbuch geschrieben hat, nicht. Juliens Vater Paul hat sich geweigert, eine Beziehung zu seinem behinderten Sohn aufzubauen und sich in den Beruf geflüchtet, der ihn oft fort von der Familie geführt hat. Doch dann wird Paul arbeitslos. Als er sich verstärkt Freizeitaktivitäten zuwendet, anstatt in seine Familie zurückzufinden, implodiert der Konflikt. Pauls Frau Claire, die sich stets aufopfernd um ihren Sohn gekümmert hat, reagiert wütend und verzweifelt. Julien aber hat eine andere Idee. Da er um die extreme sportliche Vergangenheit seines Vaters weiß, schlägt er diesem vor, gemeinsam am „Ironman“ in Nizza teilzunehmen. „Mit ganzer Kraft“ will Mainstream-Kino sein und folgt dramaturgisch einem recht simplen Baukasten-Prinzip. Der Film beginnt mit dem Start des Ironman als Blick in die Zukunft. Es ist also von Anfang an recht unzweifelhaft, dass Vater und Sohn daran teilnehmen werden. Ziemlich genau nach der Hälfte des Films passieren zwei Rückschläge physischer wie psychischer Natur, denen Sohn respektive Vater mit Zähigkeit und Mut entgegentreten. Die letzten 20 Minuten gehören dann dem sportlichen Finale. Die Filmmusik emotionalisiert das Geschehen dabei stets ein wenig zu stark; insbesondere in leisen Momenten wirkt sie übermäßig illustrativ. Das zurückhaltende, natürliche Spiel der Schauspieler würde vollkommen ausreichen. Visuell kontrastiert Tavernier zwei Welten: Die Karstigkeit der erhabenen Berglandschaft mit der dunklen, vollgestopften Enge des pittoresken Holzhauses, in dem die Familie lebt. Das Behindertenzentrum, in dem sich Julien aufhält, während seine Mutter in ihrem Friseursalon arbeitet, wird deutlich heller gezeigt. Julien geht dort zu Schule, wird physiotherapeutisch behandelt, verbringt Zeit mit seinen Freunden: Er ist dort mündiger als zu Hause, wo er im Konflikt der Eltern, zwischen überprotektiver Mutter und ignorant-larmoyantem Vater, aufgerieben wird In ihrer Wandlung sind die Figuren allerdings etwas eindimensional gezeichnet: Der wortlose Vater, der im Zuge des gemeinsamen Trainings langsam auftaut, die Mutter, die lernen muss, loszulassen. Tavernier erzählt eine anrührende, sehr stringente, aber manchmal auch etwas plakative Geschichte. Der Vergleich mit „Vielen Dank für nichts“ (fd 42406) über drei Behinderte, die einen Tankstellenüberfall im Rollstuhl planen, offenbart, wie viel anarchischer und respektloser, auch politisch unkorrekter die Komödie von Stefan Hillebrand und Oliver Paulus zu Werke geht, die auf diese Weise auch näher an den Figuren sind. Wo „Vielen Dank für nichts“ auf komische Weise Machtverhältnisse, Mündigkeit und Würde verhandelt, findet bei Tavernier eine wirkliche Identifikation mit der Hauptfigur, jenseits von Emotionen wie Mitleid, nur in jenen Augenblicken statt, in denen sich Julien gegen Vorurteile humorvoll selbst behauptet; allerdings fallen diese stets recht erwartbar aus. Zu selten vertraut der frühere Dokumentarfilmer Tavernier auf die Kraft der Bilder. Was sein Film hätte sein können, ist insbesondere in der dokumentarischen Sequenz zu spüren, die beim Ironman im Juni 2013 gedreht wurde: Der Wasserstart ist aus der Luft gefilmt, zunächst ohne Ton, der dann langsam ins Bild rauscht. Hier wird die wortlose Verbindung von Vater und Sohn im sportlichen Extrem-Erlebnis beeindruckend versinnbildlicht.
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