PK - Andere Sterne, andere Sitten

Bollywood-Film | Indien 2014 | 153 Minuten

Regie: Rajkumar Hirani

Ein Außerirdischer strandet auf der Erde und kann sein Mutterschiff nicht kontaktieren, weil sein Kommunikator gestohlen wurde. Als er merkt, dass Menschen sich mit Problemen an "Gott" wenden, sucht er ebenfalls dessen Beistand, doch seine Erfahrungen mit religiösen Riten sind enttäuschend. Im Rahmen eines Bollywood-Spektakels mit Science-Fiction-Anleihen, Musik und Tanz, Herzschmerz und burlesker Komik vermittelt der Film aufklärerische Religionskritik und fordert satirisch dazu auf, religiöse Praktiken auf ihren humanen Wert zu hinterfragen. - Ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
PK
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Rajkumar Hirani Films/Vinod Chopra Prod.
Regie
Rajkumar Hirani
Buch
Rajkumar Hirani · Abhijat Joshi
Kamera
C.K. Muraleedharan
Musik
Atul Gogavale · Shantanu Moitra
Schnitt
Rajkumar Hirani
Darsteller
Aamir Khan (P.K.) · Anushka Sharma (Jagat Janani / Jaggu) · Sanjay Dutt (Bhairon Singh) · Boman Irani (Cherry Bajwa) · Saurabh Shukla (Tapasvi Maharaj)
Länge
153 Minuten
Kinostart
16.04.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Bollywood-Film | Satire
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
REM (16:9, 2.35:1, DD5.1 Hindi/dt.)
Verleih Blu-ray
REM (16:9, 2.35:1, dts-HDMA Hindi/dt.)
DVD kaufen

Aufklärerische Religionssatire in Form eines Bollywood-Spektakels

Diskussion
Am Anfang sieht alles nach routiniertem Genrekino aus, und zwar gleich in zwei Handlungssträngen: einmal Sci-Fi auf den Spuren von „E.T.“ (fd 23 743), einmal Romanze. Ein humanoider, naiver Außerirdischer mit grünen Kulleraugen und Segelohren, der zwecks Erforschung der Erde von einem Ufo irgendwo in der indischen Provinz abgesetzt wurde, verliert den Kontakt zum Mutterschiff, weil ihm ein Gauner das einzige klaut, was er am Leib trägt: seinen Kommunikator. Im fernen Belgien lernt die indische Studentin Jiggu derweil zwischen malerischen Kanälen und Backsteinfassaden durch einen süßen Zufall einen Pakistani kennen und lieben, der wie sie ein Auslandssemester absolviert. Dass ihre strenggläubige Familie, die auf die Lehren eines Gurus eingeschworen ist, den jungen Muslim nicht akzeptiert, hält die junge Frau nicht davon ab, ihrem Herzen zu folgen: kurzerhand bittet sie ihren Liebsten, sie zu heiraten. Doch dann taucht dieser nicht zum Hochzeitstermin auf; stattdessen bringt ein Junge Jiggu einen Brief, der von einer Trennung wegen zu großer kultureller und religiöser Differenzen spricht. Worauf alles nach dieser doppelten Exposition hinausläuft, dürfte niemanden überraschen: Es gilt, dem gestrandeten Alien die Heimkehr zu ermöglichen und Jiggu und ihrem Schatz doch noch ein Happy End zu bescheren. Wie „PK“, der neue Film von Regisseur Rajkumar Hirani und Hauptdarsteller Aamir Khan, den Weg dorthin bewerkstelligt, ist jedoch äußerst bemerkenswert und hat in Indien für heftige mediale Wellen gesorgt. Denn so formelhaft-harmlos der Auftakt ist, so bissig wird „PK“ alsbald als Satire, die sich an einem nicht nur für Inder sensiblen Thema abarbeitet: an religiösen Praktiken und Überzeugungen. „PK“ hat damit in seiner Heimat als kommerziell erfolgreichster Film einen neuen Rekord aufgestellt, zugleich aber heftige Aversionen provoziert, die sich u.a. in der Demolierung von Kinos und Drohungen gegen den (muslimischen) Hauptdarsteller äußerten; in den sozialen Netzwerken lieferten sich Anhänger und Gegner des Films unter den Hashtags #ISupportPK und „BoykottPK“ einen Kleinkrieg. Dabei ist „PK“ durchaus kein anti-religiöser Film, fordert jedoch, dass das vernünftige Denken nicht ausgeschaltet werden darf, wenn es um Gott und Glauben geht, und dass jede Religion es sich gefallen lassen muss, kritisch hinterfragt zu werden. Genau das tut „PK“ – und zwar nach jenem bewährten Prinzip, das weiland schon der Aufklärer Montesquieu in seinen „Persischen Briefen“ verwendete: durch die erstaunten Augen eines fiktiven Fremdlings werden gesellschaftliche Konventionen aufs Korn genommen und auf ihre Sinnhaftigkeit abgeklopft. Dass Tipsy ausgerechnet mit Gott bzw. mit seinen menschlichen Stellvertretern aneinandergerät, hängt mit der Suche nach dem gestohlenen Kommunikator zusammen: Der Außerirdische, der sich unter die Menschen mischt, ohne dass man seine Herkunft erkennt, beobachtet, dass sich Erdlinge mit kniffligen Problemen an eine Instanz namens „Gott“ wenden. Was Tipsys Erwartung weckt, dass ihm dieser Gott auch sein gestohlenes Gut wiederbeschaffen könnte. Doch bald merkt Tipsy, dass die scheinbar einfache Lösung zahlreiche Haken hat: Wie erreicht man Gott? Wie funktioniert der „Tausch“ Gebet/Opfergabe gegen göttlichen Beistand? Und überhaupt: Wie findet man heraus, welcher Gott für einen zuständig ist, wo es doch eine schwindelerregende Anzahl verschiedener Glaubensformen und Kulte gibt, die miteinander im Clinch liegen? Nach einer rasanten Tour de Force durch unzählige Fettnäpfchen, bei der Tipsy immer wieder vor Mobs aufgebrachter Gläubiger davonlaufen muss, droht der Außerirdische zu verzweifeln. Zum Glück begegnet er da Jiggu, die mittlerweile als Reporterin bei einem TV-Sender in Delhi arbeitet und hinter der Gottsuche des vermeintlichen Spinners eine gute Story widmet. Jiggu nimmt sich Tipsys Sache an, wird in das Geheimnis seiner Herkunft eingeweiht und findet sich zusammen mit ihrem neuen Freund als Speerspitze einer Kampagne wieder, die gegen religiöse Missstände zu Felde zieht. Deren Hauptziel wird bald just jener Hindu-Guru, dem auch Jiggus Familie verfallen ist. Dass sich radikale Hindus gegen den im Dezember 2014 gestarteten „PK“ stark machten, dürfte daran liegen, dass der Witz des Films da besonders zündend ist, wo es um die Abrechnung mit der dominierenden Religion Indiens geht; vor allem deren Kommerzialisierung wird schärfstens angegriffen. Mehr als um Spitzen gegen spezielle religiöse Praktiken geht es dem Film jedoch um eine grundsätzliche Kritik an jeder Form von Bigotterie und an der Funktionalisierung von Religion, um Menschen zu verängstigen, zu fanatisieren, um sie auszubeuten oder Machtansprüche geltend zu machen. Mit den Mitteln des kommerziellen Bollywood-Kinos – viel Tanz und Gesang, viel burleske Komik, abgeschmeckt mit einer großzügigen Dosis Herzschmerz – gelingt den Machern also, breitenwirksam ein Stück Aufklärung in bester humanistischer Tradition unters Volk zu bringen. Respekt!
Kommentar verfassen

Kommentieren