Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 72 Minuten

Regie: Stefan Hayn

Der bildende Künstler und Filmemacher Stefan Hayn setzt 40 seiner Gemälde in einem offenen, multimedialen Raum in Bezug zu den Filmen von Jean-Marie Straub und Daniele Huillet und deren Arbeitsweise, wozu aus dem Off zwei Texte eingelesen werden. Dabei erweist sich der essayistische, auf persönliche Verbundenheit gründende Film als eine beherzte Verteidigung künstlerisch-ästhetischen Eigensinns, die um die Frage kreist, inwieweit sich der künstlerisch-politische Ansatz von Straub/Huillet sowie deren Strategie für das eigene Schaffen fruchtbar machen lassen. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Stefan Hayn Filmprod.
Regie
Stefan Hayn
Buch
Stefan Hayn
Kamera
Bernadette Paassen · Knut Schmitz
Schnitt
Stefan Hayn
Länge
72 Minuten
Kinostart
02.04.2015
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
„Es gibt Künstler, die arbeiten, und Künstler, die repräsentieren – den Lebensstil und die Interessen derjenigen, die ihre Kunst bezahlen. Arbeit im Sinne von Jean-Marie Straub meint nicht das manische Produzieren und Platzieren von Markenzeichen, sondern das immer wieder neue Freischaufeln und Verteidigen eines geistigen und ästhetischen Raums, der in vielfältigen Verbindungen zu den Nützlichkeitsanforderungen des täglichen Lebens steht.“ Diese Sätze hat der bildende Künstler und Filmemacher Stefan Hayn 2003 zum 70. Geburtstag von Jean-Marie Straub formuliert. Im Zusammenhang mit dem Schönberg-Film „Moses und Aron“ (fd 20 304) kommt Hayn noch einmal auf den Punkt: „Spätestens mit diesem Film hat Jean-Marie Straub auch klar gemacht, dass die Etiketten ,streng, asketisch, moralisch‘, die ihm von Anfang an angeheftet wurden, nicht passen. Sie müssen nur wieder und wieder der Legitimation dienen, dass man auf der anderen Seite, im Kulturgeschäft immer zynischer werden kann.“ Mit seinem eigenen Film „Straub“ zeigt Hayn nun, wie man sich die Idee vom „Verteidigen eines geistigen und ästhetischen Raums“ vorzustellen hat. „Straub“ ist weniger eine Verbeugung vor der immer unsichtbarer werdenden Art und Weise, wie Jean-Marie Straub und die 2006 verstorbene Daniele Huillet seit „Machorka-Muff“ Filme (1962) am Rande der Filmszene produziert haben. „Straub“ ist vor allem der Versuch, bestimmte Strategien der Ästhetik von Huillet/Straub für die eigene Arbeit zu nutzen. Das führt zur Frage, ob die reflektierten Strategien von Huillet/Straub für nachfolgende Generationen von Künstlern noch anschlussfähig sind? Basierend auf genauer Kenntnis der Filme und seiner persönlichen Freundschaft zu den Filmemachern setzt Hayn 40 eigene Bilder „zu“ Huillet/Straub in einen Film-Raum, der zudem noch Platz für zwei Texte bietet, die in typischer Huillet/Straub-Manier von verschiedenen Sprechern so eingelesen werden, dass sie vom Zuschauer Textarbeit erfordern, um Zusammenhänge produktiv zu machen. Ein Text stammt von Daniele Huillet und ist eine Auseinandersetzung mit einem Bericht von Gregory Wood über die Dreharbeiten zu „Moses und Aron“. Huillet erläutert bestimmte Produktionsentscheidungen wie die Wahl der Drehorte oder bestimmter technischer Hilfsmittel. Der andere Text sind Passagen aus Robert Antelmes autobiografischem Bericht „L’espèce humaine“ über die Erfahrungen von Zwangsarbeiters mit dem Schrecken und der Entmenschlichung im Konzentrationslager. Zu Hayns Bildern und Zeichnungen tritt dokumentarisches Film-Material wie etwa eine längere Einstellung einer Pariser Kreuzung, auf der ein Wegweiser zum Louvre weist und ein Werbeplakat (vielleicht) eine Anspielung auf „Malerei heute“, einen früheren Film Hayns, darstellt. Dazu kommt Musik von Paul Hindemith und Claude Debussy. Das Resultat ist ein offener und sehr reicher multi-medialer Film-Raum, der Dinge auf persönliche Weise in Beziehung setzt und gleichzeitig auf mehreren Ebenen um die Fragen nach der Tradierbarkeit von Erfahrungen unter Bezugnahme eines bereits existierenden, aber zunehmend in Vergessenheit geratenen künstlerisch-politischen Ansatzes kreist. Von Askese keine Spur.
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