Sumé - The Sound of a Revolution

Musikdokumentation | Grönland/Dänemark/Norwegen 2014 | 74 Minuten

Regie: Inuk Silis Hoegh

In den 1970er-Jahren traf die grönländische Rock-Band Sumé mit Texten über gesellschaftliche Widersprüche und den Niedergang der Inuit-Kultur den Zeitgeist, was ihr in ihrer Heimat eine kurze, aber phänomenale Blüte bescherte. Der materialreiche Dokumentarfilm rekonstruiert mit einer gewissen Nostalgie diese post-koloniale Gemme der Pop-Historie und bindet sie in die grönländischen Autonomiebestrebungen ein. Über die mit Archivmaterial und zeitgenössischen Aussagen souverän nachgezeichnete Bandgeschichte hinaus wäre aber auch eine kulturelle Kontextualisierung oder die Nachgeschichte der Musiker von Interesse gewesen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SUMÉ: MUMISITSINERUP NIPAA
Produktionsland
Grönland/Dänemark/Norwegen
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Anorak Film/Bullitt Film/Jabfilm
Regie
Inuk Silis Hoegh
Buch
Inuk Silis Hoegh · Emile H. Péronard
Kamera
Henrik Ipsen
Musik
Per Berthelsen · Malik Høegh
Schnitt
Per K. Kirkegaard
Länge
74 Minuten
Kinostart
21.01.2016
Fsk
ab 0
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Musikdokumentation
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Mindjazz/Al!ve (16:9, 1.78:1, DD5.1 dän.)
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Dokumentarfilm über die grönländische Rockband "Sumé", die in den 1970er-Jahren den Ton der Zeit traf

Diskussion
Noch immer hält die Geschichte der Popmusik randständige, aber ganz erstaunliche Episoden parat. Mitunter sind diese Episoden so verwegen, dass man nicht ganz ausschließen kann, einer ganz besonders clever inszenierten Mockumentary aufzusitzen. Polit-Pop, made in Grönland? Andererseits, so heißt es in diesem Film von Inuk Silis Høegh, kann noch heute jedes Kind in Grönland die Songs der Band Sumé mitsingen. Dass dem so ist, ist mehr ein Erfolg der Band selbst, nicht so sehr ihrer recht konventionellen Musik, sondern vielmehr der dahinter stehenden Haltung, da diese den Zeitgeist in einem glücklichen Moment so auf den Punkt brachte, dass sie selbst davon überrascht wurde. Sumé, die grönländische Rockband, wurde 1972 in Dänemark von Malik Høegh und Per Berthelsen gegründet, wo die beiden studierten. Das war nicht ungewöhnlich; einmal heißt es sogar, dass man damals, um einen Beruf zu erlernen, als Grönländer immer nach Dänemark gehen musste. Selbst, wenn man „nur“ Büroangestellter werden wollte. Grönland war eine dänische Kolonie – und die Frage nach einer grönländischen Identität war, angeregt durch andere Emanzipationsbewegungen in aller Welt, gerade erst auf die politische Agenda gesetzt worden. Sumé aber sang Songs mit Texten, die auf Grönländisch abgefasst waren. Mit Liedzeilen und Worten, die die Grönländer nicht (mehr) verstanden, weil sie (zu) lange unter der kulturellen Hegemonie Dänemarks gelebt hatten. Zum Sound eines soften Folk-Rock mit Ethno-Elementen erzählt Sumé von den politischen und sozialen Widersprüchen der grönländischen Gesellschaft und machte die Entfremdungserfahrungen der Inuit-Kultur (Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Traditionsverlust) zum Basismaterial ihrer Songs. Das Cover ihres Debütalbums zeigt einen Inuit, der einen Wikinger erschlagen hat. Unmissverständlich. So lieferten Sumé mit großem Erfolg den wirkungsvollen Soundtrack zu den grönländischen Autonomiebestrebungen, was einzelne Bandmitglieder noch heute in Erstaunen versetzt. In einer der eindrucksvollsten Szenen des Films hört ein Zeitgenosse des politisch-kulturellen Aufbruchs noch einmal die alten Songs, ballt nach dem Ende der Musik entschlossen und tief bewegt die Faust, um unmittelbar darauf in Tränen auszubrechen. Der Filmemacher Inuk Silis Høegh verfügt souverän über Archivmaterial aus den Erfolgsjahren der Band und mischt zeitgenössische Aussagen der Musiker und ihrer Mitstreiter aus Plattenfirmen und Aufnahmestudios mit leicht nostalgischen, aber auch sehr abgeklärten Rückblicken auf die ungewöhnliche Karriere von Sumé. Nach zwei erfolgreichen Alben und einer ganz erstaunlichen Grönland-Tournee kam es allerdings bandintern zu Problemen über die politische Zielrichtung des eigenen Tuns. Auch die Einladung, Mitte der 1970er- Jahre mit der britischen Band Procol Harum zu touren, schien einigen Mitgliedern eine Nummer zu groß. Zwar wurde auf die Schnelle ein drittes Album eingespielt, doch danach war Sumé Geschichte. Die Musiker kehrten in ihre Heimat zurück, in der es anscheinend etwas schwieriger als anderswo ist, sich einfach einmal so über den Weg zu laufen. So materialreich es dem Film gelingt, diese post-koloniale Gemme der Pophistorie zu rekonstruieren, so bedauernswert ist es, dass die Inszenierung mit Kontextualisierungen spart. Gern würde man Näheres über die Hintergründe der Politisierung der Musiker erfahren: Brachten sie ihre Haltung gegenüber der Inuit-Kultur bereits mit nach Dänemark? Oder wurden sie gewissermaßen in der Diaspora politisiert? Auch wüsste man gerne, was sich nach der Auflösung der Band getan hat. Die ehemaligen Musiker stehen Rede und Antwort, doch wohin es sie jeweils verschlagen hat, bedarf eigener Recherche. Man kann also sagen: die Geschichte der Ausnahmeband Sumé, so wie sie hier erzählt wird, hängt etwas in der Luft. Die Filmbilder aber dementieren fortwährend, dass diese Geschichte wirklich vergangen ist.
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