Drama | Belgien/Luxemburg/Frankreich 2012 | 105 Minuten

Regie: Frédéric Fonteyne

Ein Gefängniswärter lernt bei einem Tango-Kurs eine attraktive Krankenschwester kennen. Kurz darauf sieht er sie im Besuchsraum der Haftanstalt wieder, wo sie nicht nur ihren Ehemann, sondern auch ihren Geliebten besucht. Es entspinnt sich ein Wechselspiel aus Liebe und Eifersucht, wobei dem Tango eine große Bedeutung zukommt. Vielschichtige Mischung aus Tanz- und Gefängnisfilm, die geschickt mehrere Motive und Erzählfäden zu einer märchenhaften Utopie verknüpft und den Tango als Ausdruck von körperlicher Nähe und leidenschaftlichem Verlangen beschreibt. Alle Charaktere werden dabei präzise über Blicke und Gesten umschrieben. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
TANGO LIBRE
Produktionsland
Belgien/Luxemburg/Frankreich
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Artémis Prod./Samsa Film/Liaison Cinématographique/Nord Ouest films/Minds Meet/RTBF/Belgacom
Regie
Frédéric Fonteyne
Buch
Philippe Blasband · Anne Paulicevich
Kamera
Virginie Saint-Martin
Schnitt
Ewin Ryckaert
Darsteller
François Damiens (JC) · Sergi López (Fernand) · Jan Hammenecker (Dominic) · Anne Paulicevich (Alice) · Zacherie Chasseriaud (Antonio)
Länge
105 Minuten
Kinostart
13.06.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Gefängnisfilm | Tanzfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Movienet (16:9, 1.78:1, DD5.1 frz./dt.)
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Diskussion
Jean-Christophe, von allen nur „JC“ genannt, arbeitet als Gefängniswärter. Lautlos schwebt er wie ein Geist durch die Gefängnisflure. Bloß nicht auffallen. Er beobachtet aus sicherer Distanz, überwacht, kontrolliert. Denn schon das aktive Eingreifen, sollte ein Häftling Regeln missachten, überfordert ihn völlig. JC ist ein einsamer Mann. Einzig ein Goldfisch leistet ihm Gesellschaft. Weil er spürt, dass etwas in seinem Leben fehlt, belegt er einen Tangokurs. Dort lernt er die attraktive Alice kennen, eine Krankenschwester. Sie lächelt, ist aufmerksam und neugierig, was JC zunächst nicht ganz geheuer ist. Er wird sie schon bald wiedersehen, ausgerechnet im Besuchsraum des Gefängnisses. Alice besucht ihren Ehemann Fernand, der wegen Raubmord einsitzt. Doch plötzlich steht sie auf und setzt sich zu einem anderen Mann: Dominic, ihrem Liebhaber und Fernands Kumpel. Ihre Unabhängigkeit und Freiheit macht Alice für JC noch begehrenswerter; ein Interesse, das Fernand nicht verborgen bleibt. Mit einem Mal entspinnt sich ein Wechselspiel aus Liebe und Eifersucht, in dem der Ausdrucksform des Tango, diesem leidenschaftlichsten aller Tänze, eine große Bedeutung zukommt. Nicht nur, indem der Tango Innen- und Außenwelt miteinander verknüpft, als Fernando einen argentinischen Häftling bittet, allen Mitinsassen das Tanzen beizubringen – auch JC und Alice kommen sich immer näher. Und dann trifft der Gefängniswärter eine Entscheidung, die sein ganzes Leben umkrempeln wird. „Man muss mich nicht lieben“ (fd 37 715) meets „Shall We Dance?“ (fd 33 671), Tanzfilm trifft auf Gefängnisfilm. Der belgische Regisseur Frédéric Fonteyne und seine Drehbuchautorin Anne Paulicevich, die auch die weibliche Hauptrolle spielt, verquicken unangestrengt die Motive der Kinovorbilder, lassen die gegensätzlichen Genres aufeinanderprallen und spinnen mehrere Erzählfäden, die sie am Ende zu einer märchenhaften Utopie verknüpfen. Je nach Standpunkt findet man dies schlüssig oder abwegig. Da ist zum einen der Tango als Ausdruck von körperlicher Nähe und leidenschaftlichem Verlangen, verbunden mit der Freude an der Bewegung, die JCs Lebensgeister weckt, aber auch – mit komischem Ergebnis – seine Unbeholfenheit und Steifheit offenbart. Gleichzeitig weist ihm eine schöne junge Frau, als Muse sozusagen, einen Ausweg aus seiner Einsamkeit. Dabei löst sie eine unbestimmte Sehnsucht aus, die sich – vielleicht – nicht erfüllen darf. Das Gefängnis mit seinem Besuchsraum hingegen ist ein Ort, in dem sich Begegnungen ungemein verdichten, zeitlich, aber vor allem emotional, ein Ort, in dem die Liebe – eigentlich – unmöglich ist. Dabei geht es auch um den Zusammenhalt einer Familie: Alice und Fernand haben einen gemeinsamen Sohn, der ein besonderes Geheimnis birgt. „Tango libre“ ist vor allem ein Film der Blicke: beobachtende Blicke, denen nichts entgeht, kühle Blicke, die Zurückweisung signalisieren, neugierige Blicke, die Misstrauen ausstrahlen, schüchterne Blicke, die Interesse bekunden, aber auch die Verlegenheit offenbaren. Fonteyne achtet sehr auf diese kleinen Gesten, die die Charaktere genauso präzise umschreiben wie ihr soziales Umfeld. Die Ungewissheit der Gefühle: sie treibt auch hier ihr Spiel aus Anziehung und Zurückweisung, nur sehr viel verhaltener und subtiler. Das macht aus „Tango libre“ ein ebenso anspruchsvolles wie unterhaltsames Drama.
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