The Diary of a Teenage Girl

Drama | USA 2015 | 103 Minuten

Regie: Marielle Heller

Eine aufgeweckte 15-Jährige beginnt 1976 in San Francisco eine Affäre mit dem gut 20 Jahre älteren Freund ihrer alleinerziehenden Mutter. Ihre Erlebnisse und Wünsche verarbeitet die angehende Comic-Zeichnerin in einem Tagebuch mit fantasievollen Cartoons. Das auf einem Roman mit Graphic-Novel-Elementen basierende Jugenddrama schildert das ständige Auf und Ab der Affäre erfrischend unverblümt und in einer etwas unvermittelten Erkenntnis der Selbstliebe. Der Coming of-Age-Geschichte gelingt es dennoch vorzüglich, anhand kleiner Kränkungen hintergründig zu vermitteln, wie weibliche Sexualität seit jeher in Normen gepresst wird. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE DIARY OF A TEENAGE GIRL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Caviar/Cold Iron Pic./Archer Gray
Regie
Marielle Heller
Buch
Marielle Heller
Kamera
Brandon Trost
Musik
Nate Heller
Schnitt
Marie-Hélène Dozo · Koen Timmerman
Darsteller
Bel Powley (Minnie Goetze) · Kristen Wiig (Charlotte Worthington) · Alexander Skarsgård (Monroe) · Christopher Meloni (Pascal MacCorkill) · Austin Lyon (Ricky Wasserman)
Länge
103 Minuten
Kinostart
19.11.2015
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
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Jugenddrama nach einer Graphic Novel

Diskussion
Fröhlich schwankt ein in eine hellblaue Schlaghose gepackter Hintern im Schritttakt seiner Besitzerin über die Leinwand, bevor diese von den semi-entblößten Brüsten der anderen Parkbesucherinnen eingenommen wird. Pikante erste Einstellungen, genauso wie das Thema ihres Films – denn dieses Mädchen, das kurz darauf eröffnet, dass es gerade zum ersten Mal Sex hatte, ist erst 15 Jahre alt. Was nicht weiter schlimm wäre, hätte Minnie Goetze mit einem Jungen ihres Alters geschlafen, und nicht mit dem 34-jährigen Freund ihrer Mutter. Ein ausgewachsenes Schlamassel, auch im San Francisco des Jahres 1976. Was Minnie ihrem aus Kassetten-Aufnahmen bestehenden Tagebuch zu Hause dann anvertraut, ist das sexuelle Erwachen einer jungen Frau in einer sexuell schon recht aufgeweckten Gesellschaft. Auch Minnies Mutter Charlotte hat sich von biederen Regeln gelöst und „bastelt“ für Minnie und ihre jüngere Schwester an einer Kette von Kurzzeitvätern. Deren letztes Glied ist der jungenhaft attraktive Monroe, und der legt Minnie beim unschuldigen Fernseh-Kuscheln schon einmal die Hand auf die Brust. Nachlässigkeit oder Kalkül? Kurze Zeit später wird es Minnie sein, die von dieser Hand beim weniger unschuldigen Kneipenbesuch erst den Finger (in den Mund) nimmt, und sich danach den ganzen Körper schnappt, während Charlotte im Sog aus Job-Verlust, Ausgehen und Drogen gar nichts mehr mitzubekommen scheint. Minnies Coming of Age basiert auf einem mit Graphic-Novel-Elementen durchsetzten Roman der selbst in San Francisco aufgewachsenen Zeichnerin Phoebe Gloeckner, die hier neben der sexuellen auch eine künstlerische Initiation beschrieb. Minnie verortet ihr Verlangen nach Liebe und Nähe in der Sexualität und verpackt diese in zum Leben erwachende, an Robert Crumb erinnernde Cartoons und Tagträume. Dass die autobiografisch angehauchte Figur eine so fantasievolle ist, rettet Marielle Hellers Verfilmung dann auch vor ihrer sich wiederholenden und am Ende überschlagenden Erzählstruktur. Die könnte an Hellers erster Adaption des Stoffs als Theaterstück liegen, fühlt sich aber zwischenzeitlich wie die Gedankenendlosschleife einer 15-Jährigen an, was die Geschichte in der erzählten Tagebuchform ja letztlich auch ist. So sehr rückt Heller die auf- und abebbende Affäre ihrer Hauptfigur mit dem wesentlich älteren Monroe in den Mittelpunkt, dass Minnies lesbischer Ausbruchsversuch, der in einem absoluten Tiefpunkt unter Drogeneinfluss mündet, hintanstehen muss. Das droht eine an sich starke Erzählhaltung zu schwächen, die ganz unverblümt ihre Nacktszenen einstreut, dabei nie moralinsauer wird und einen tatsächlich die unbekümmerte Euphorie und Tragik des Teenagerdaseins nacherleben lässt. Was dabei mit der eher weiblich konnotierten Sensation beginnt, zum ersten Mal sexuell begehrt zu werden, endet damit, dass sich Minnie nach eigenem Bekunden von keiner Liebe mehr abhängig fühlt, außer der eigenen. Interessanter als diese wichtige, aber am Ende recht unvermittelt vorgebrachte Erkenntnis ist allerdings die vorangehende Schilderung einer aufkeimenden Sexualität, die ausgerechnet von Minnies männlichen Sexualpartnern mit Nymphomanie-Stempeln und anderen Kränkungen, die ganz klar aus Überforderung rühren, kleingehalten wird. Hier schafft es ein Jugendfilm, wunderbar unaufdringlich von der frühen Degradierung einer in Normen gepressten weiblichen Sexualität zu erzählen, die sich die willensstarke Identifikationsfigur nicht anzueignen bereit ist. Und das wirkt authentischer als die am Ende noch schnell übergestülpte Botschaft der von anderen unabhängigen Selbstliebe, die eher der retrospektiv etwas weit ausholenden Feder ihrer Schöpferin zu entstammen scheint.
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