Wem gehört die Stadt? - Bürger in Bewegung

Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 93 Minuten

Regie: Anna Ditges

Dokumentation über die Auseinandersetzungen um die Bebauung des Helios-Geländes in Köln, die alle Seiten zu Wort kommen lässt und sich sehr bewusst darauf beschränkt, die Abläufe zu beobachten und zu dokumentieren. Der Verzicht auf Wertung oder Parteinahme führt dazu, dass sich viele wichtige Fragen auftun, die für zivilgesellschaftliche Entscheidungsprozesse von hoher Relevanz sind. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
punktfilm Anna Ditges/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)
Regie
Anna Ditges
Buch
Gesa Marten · Anna Ditges
Kamera
Anna Ditges
Musik
Andreas Schäfer
Schnitt
Anna Ditges
Länge
93 Minuten
Kinostart
19.02.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
SchwarzWeiss (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Wie gestaltet man den öffentlichen Raum jenseits von Privatisierung und Kommerzialisierung? Wer bestimmt warum über die Gestaltung des „living room“? Wie sieht Bürgerbeteiligung aus in Zeiten von Politikverdrossenheit und Misstrauen gegenüber dem Finanzkapital? Müssen Entscheidungen transparent gemacht werden? Ist Bürgerbeteiligung ein Wert an sich? Darf die Politik in Fragen der Stadtentwicklung Vertrauen zu kompetenten Bürgern entwickeln? Gibt es intelligente Architekturkonzepte, die ökonomisch und ökologisch überzeugen? Ab welchem Zeitpunkt beginnt die Verantwortung des Bürgers bei Fragen der Stadtentwicklung? Solche und ähnliche Fragen stellten sich seit einigen Jahren verstärkt, wie die Diskussionen um „Stuttgart 21“ oder das Tempelhofer Flugfeld zeigen. Diese Fragen stellten sich auch im Zusammenhang mit der Nutzung des Heliosgeländes in Köln-Ehrenfeld, dem Areal einer ehemaligen Fabrik für Elektrotechnik. 2010 kündigte ein Investor an, an die Stelle einiger kleiner Geschäfte, Imbisse, Handwerksbetriebe und eines Clubs eine große Shopping Mall bauen zu wollen: Wie in vielen anderen Städten sollte der öffentliche Raum kommerzialisiert werden. Die Anwohner protestierten und organisierten sich gegen diese Pläne und wurden von der Bezirksverwaltung zu Hearings eingeladen, um an den Entscheidungsprozessen zu partizipieren. Die Dokumentaristin Anna Ditges, selbst Anwohnerin, hat diesen Prozess mit offenem Ausgang über zwei Jahre begleitet, Versammlungen dokumentiert, Einzelgespräche geführt und schließlich 180 Stunden Material auf 90 Minuten Länge montiert. Der Film dokumentiert Vorurteile, Ansprüche, Gesprächsbereitschaft und Lernprozesse auf allen Seiten. Was ist utopisch? Was ist realisierbar? Wie sieht Engagement und Partizipation konkret aus? Wer hat die nötige „Freizeit“, um sich zu engagieren? Die Politik reagierte gereizt auf das Misstrauen der Bürger: „Glauben Sie, ich sitze hier heute abend mit ihnen zusammen, weil ich eine feuchte Wohnung habe?“ Der Investor, nach eigener Aussage kein „Gutmensch“, sondern Vertreter spezifischer Interessen, findet Bürgerbeteiligung prinzipiell gut, will aber die Spielregeln repräsentativer Demokratie gewahrt wissen. Andere Bürger, die die alternative Idylle des Helios-Geländes schätzen, fürchten, dass dem „Veedel“ die Seele herausgerissen wird. Es gibt utopische Verschläge, das Gelände in einen Park zu verwandeln, der dann immerhin den Namen des Investors tragen soll. Nach erstaunlich langer Zeit sorgt dann die Schulbehörde für eine Überraschung: mit der Forderung, das Gelände für eine neue Schule zu nutzen. Der Film ist nahe an den Menschen, lässt alle Seiten zu Wort kommen, wertet nicht und will auch nichts anprangern, sondern zunächst einmal nur die Abläufe beobachten und dokumentieren. Dabei kommt einiges zu Tage. Etwa, dass diejenigen, die sich bei den Versammlungen zu Wort melden, gebildet, eloquent und gut gekleidet sind, während eine Schreinerin, die ihre Werkstatt auf dem Gelände hat, sich schlicht erdrückt fühlt. Als der Vorschlag mit der Schule lanciert wurde, fühlte sie sich „von Lehrern umzingelt“. Einmal wird gefragt: Wie repräsentativ ist das Engagement einer Gruppe von Bürgern im Sinne der Demokratie gegenüber der „schweigenden Mehrheit“? Anderseits ist es bemerkenswert, welche Kompetenz sich ehrenamtlich engagierende Bürger binnen kurzer Zeit erarbeiten können, die sie dann der darin ungeübten Stadtverwaltung zur Verfügung stellen. Am Schluss des Films ist der Ausgang des Verfahrens offen. Die Shopping Mall ist vom Tisch; aber funktioniert die „Inklusive Universitätsschule“ als Zentrum eines Quartiers? Und wird die Stadt Köln sie finanziert bekommen? Atmosphärisch, so der stets lässige Investor, wäre mehr drin gewesen. Die Schreinerei ist geschlossen. Wer wissen will, wie es aktuell um das Projekt bestellt ist, findet auf der Seite www.buergerinitiative-helios.de die neuesten Entwicklungen.
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