Wilson - Der Weltverbesserer

Comicverfilmung | USA 2017 | 95 Minuten

Regie: Craig Johnson

Um nach dem Tod seines Vaters seiner Einsamkeit zu entfliehen, sucht ein neurotisch-aufdringlicher Einzelgänger Mitte 50 seine ehemalige Geliebte auf und erfährt, dass er Vater einer inzwischen 17-jährigen Tochter ist. Amüsanter filmischer Schelmenroman nach einer Graphic Novel, der drei überaus komplizierte Charaktere porträtiert, die nach Nähe, Liebe und einem Platz im Leben suchen. Der mitunter hemmungslos alberne Humor schlägt gelegentlich durchaus über die Stränge, dennoch wahrt der in der Titelrolle spielfreudig besetzte Film stets seinen ganz eigenen Ton. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
WILSON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Next Wednesday
Regie
Craig Johnson
Buch
Daniel Clowes
Kamera
Frederick Elmes
Musik
Jon Brion
Schnitt
Paul Zucker
Darsteller
Woody Harrelson (Wilson) · Laura Dern (Pippi) · Judy Greer (Shelly) · Cheryl Hines (Polly) · Margo Martindale (Alta)
Länge
95 Minuten
Kinostart
29.06.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Comicverfilmung | Komödie
Externe Links
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Woody Harrelson glänzt als Nervensäge auf der Suche nach seiner Ex-Frau, die seit 17 Jahren auch ein Kind mit ihm hat

Diskussion
Wilson ist eine Nervensäge, wie sie im Buche steht: laut, aufdringlich, besserwisserisch, neurotisch, vulgär, immer bestrebt, das letzte Wort zu haben. In leeren Zugabteilen setzt er sich zielstrebig neben den einzigen Mitreisenden, um ihm ein Gespräch aufzuzwingen. Egal ob seine Mitmenschen schlafen oder sich mit Kopfhörern abschotten: Wilson sucht Anschluss. Schon das Filmplakat zeigt ihn, wie er sich auf der Toilette dem Mann rechts neben ihm zuwendet, obwohl links noch zwei weitere Pissoirs zur Verfügung ständen. Wilson hat absolut keine Scheu vor Nähe. Anders ausgedrückt: Er besitzt keinen Filter, der ihm Zurückhaltung auferlegen würde. Ihm fehlen die sozialen Fähigkeiten, um anderen einfühlsam zu begegnen. So wie Woody Harrelson diesen Mann spielt, augenzwinkernd, mit schüchternem Lächeln, Vollbart und großer Hornbrille, hat er sichtlich Spaß an dem Unfug, den er auf Kosten anderer treiben darf. Die Handlung kommt in Gang, als Wilsons Vater unerwartet stirbt. Plötzlich wird dem Neurotiker bewusst, wie einsam er ist. „Ich habe niemanden mehr, mit dem ich meine Erinnerungen teilen kann“, sagt er einmal, wobei die ganze Traurigkeit von Wilsons Existenz anklingt. Um nicht völlig allein dazustehen, macht Wilson seine Ex-Frau Pippi ausfindig, obwohl die ihn vor 17 Jahren rüde sitzen ließ. Jetzt erfährt er, dass er sogar Vater ist. Pippi hatte das Baby damals zur Adoption freigegeben. Wilson überzeugt sie, ihre fast erwachsene Tochter Claire zu suchen, doch kaum haben sich die drei kennengelernt, will Wilson „seine Familie“ mit allen Mitteln zusammen halten. „Wilson – Der Weltverbesserer“ ist so etwas wie ein filmischer Schelmenroman. Er beruht auf einer Graphic Novel von Daniel Clowes, der auch das Drehbuch schrieb. Wie ein Picaro hält die Titelfigur den Menschen den Spiegel vor und wirft ihnen ungefragt die Wahrheit an den Kopf. Die Leute reagieren auf seine spitzen, ungehobelten Bemerkungen mal überrascht, mal abwehrend, häufig aber irritiert. Wilsons brutale Ehrlichkeit führt zu amüsanten Dialogen, die fürs Publikum immer auch eine Erkenntnis bereithalten. Das funktioniert nicht immer. Manchmal ist der Film hemmungslos albern und enervierend. Auch die Dramaturgie ist dem Schelmenroman entlehnt. Episodenhaft hangelt sich Wilson von einem kleinen Abenteuer zu nächsten, und da es sich um ein Road Movie handelt, auch von Ort zu Ort, von Begegnung zu Begegnung. Das soziale Umfeld, mit dem Wilson in Berührung kommt, entlarvt er kritisch, reibt sich immer wieder an Erfindungen wie Handys, sozialen Medien und Internet. Aber er ist auch lernbereit: Ohne Internet-Recherche hätte er Pippi nicht gefunden, ohne Skype könnte er seine Tochter und seinen neugeborenen Enkel nicht sehen, während er mit ihnen telefoniert. So ist der Film trotz seiner Comic-Abstammung in der Realität verwurzelt. Diese Wirklichkeitsnähe gilt auch für Pippi, eine Träumerin und Pessimistin, die früher eine drogenabhängige Prostituierte war, inzwischen aber ihr Leben in den Griff bekommen will. Laura Dern spielt sie bravourös mit der ihr eigenen Nervosität, die sie seit „Wild at Heart“ (fd 28 529) zum Markenzeichen erhoben hat. Wilson, Pippi und Claire sind drei höchst komplizierte Charaktere, die nach Nähe, Liebe und einem Platz im Leben suchen. Ihre manchmal vergeblichen Anstrengungen bestimmen den ganz eigenen Ton des Films.
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