Er legte Zeugnis ab vom großen Morden und befragt wie kein anderer die
Ethik der Bilder: Claude Lanzmann, der mit 92 Jahre in Paris gestorben
ist. Ein Großer aus dem 20. Jahrhundert, dessen Filme und Geschichten
noch vielen Generationen etwas zu sagen haben.
Was für ein Einfall! Ein Friseur schneidet
in New York einem Kunden die Haare. Währenddessen erzählt er die
schrecklichsten Dinge, denn Abraham Bomba war 30 Jahre zuvor Häftling im
Konzentrationslager Treblinka. Das ist eine der vielen Szenen aus „Shoah“ (1985), die man nie wieder vergisst. Es ist zugleich ein typischer Einfall von
Claude Lanzmann. Keiner vermochte wie Lanzmann Menschen dazu zu bringen, von
dem zu erzählen, woran sie sich nie wieder erinnern wollten.
„Shoah“, sein neunstündiger
Dokumentarfilm über die Vernichtung der europäischen Juden, wurde zum
Meilenstein der Erinnerungskultur wie des historischen Films, weil der
Regisseur Wege jenseits des Gewohnten fand, um die Überlebenden zum Sprechen zu
bringen, über das Unaussprechliche, den Mord und die Toten. Damit förderte er
tief Verborgenes zutage, das kein Filmemacher vor ihm zu zeigen vermocht hatte.