Bertolt
Brechts „Dreigroschenoper“ mit der Musik von Kurt Weill war in der Weimarer
Republik der späten 1920er-Jahre ein Überraschungserfolg. Erste Pläne für eine
Verfilmung gab es schon früh. Im Jahr 1930 erwarb die Produktionsforma Nero Film-AG
die Rechte an dem Stoff, um eine Kinofassung mit Regisseur Georg Wilhelm Pabst
auf den Weg zu bringen; Brecht sollte die Grundlage für die Adaption liefern
und verfasste mit Léo Lania, Ladislaus Vajda und Béla Balázs das Filmexposé
„Die Beule – Ein Dreigroschenfilm“. An der Umsetzung des Films beteiligte die Nero
Film den Schriftsteller allerdings nicht mehr, woraufhin Brecht zusammen mit dem
Komponisten Kurt Weill vor Gericht zog, um ein Aufführungsverbot des Films zu
erstreiten. Regisseur Joachim A. Lang integriert diesen sogenannten
„Dreigroschenprozess“ in seine Neuinterpretation „Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm“ (Kinostart: 13. September). Ein Gespräch über das Phantom
„Publikumsgeschmack“ und die Freiheit der Kunst.
Für welches
Publikum haben Sie Ihren Film gedreht? Was haben Sie diesem Publikum anzubieten?
Joachim
A. Lang: Ich habe einen Film gemacht, von dem ich überzeugt bin, dass er
richtig ist. Wie er gemacht werden muss. Ohne Kompromisse. Wir haben ein Testscreening
mit Publikum gemacht und dabei mit „sehr gut“ abgeschnitten. Das Überraschende daran
war, dass die Zustimmung der 20- bis 30-Jährigen noch vor derjenigen der über
50-Jährigen lag, also vor dem Bildungsbürgertum. Viele der Jungen kannten
Brecht nicht, und auch nicht die „Dreigroschenoper“; sie hatten vielleicht schon
mal einen Song gehört, von Robbie Williams. Für sie war der Film spannend, schräg,
aktuell. Es geht gegen Faschismus, um die Freiheit der Kunst. Das fanden sie
toll. Die Diskussionen waren sehr spannend. Ich glaube, dass das Publikum
Qualität versteht und dass es auch gefordert werden will. Ich setze auf die
Intelligenz des Publikums und auf die Überraschung, nicht auf die Wiederholung
des Immergleichen. Über Zielgruppen denke ich nicht nach, weil ich keine
kommerziellen Filme mache.
Damit sind wir
jetzt schon beim Konflikt des Dreigroschenprozesses, oder? Brecht wollte einen
richtigen Film machen, während die Nero Film-AG einen Kassenschlager des
Theater fürs Kinopublikum verdoppeln wollte.
Joachim
A. Lang: Genau.
Ich bin durch ein literaturwissenschaftliches Studium in
Sachen Brecht einschlägig vorbelastet. Beim Sehen des Films habe ich mich
ständig gefragt: „Wer soll das denn jetzt verstehen?“ Oder vielleicht besser:
„Ob diese Referenz jetzt jemand außerhalb der Brecht-Philologie bemerkt?“
Joachim A. Lang: Davon bin ich
überzeugt, wie das Beispiel des jungen Testpublikums ja zeigt. Das Publikum
will gefordert werden. Ich bin von der Neugier des Publikums überzeugt, auch
davon, dass es eine Sehnsucht nach solchen Filmen gibt.