„Bertolucci ist mit allen Wassern und
Essenzen der Moderne gewaschen. Er hat Marx’ Lehre von der Gesellschaft
studiert, er hat Freuds Lehre vom Individuum in sich aufgesogen, und beide kann
er mit den Opern Verdis in einen ästhetischen Rahmen spannen. Er lebt im
Paradox und baut aus ihm die Formen seiner Filme.“ Was einst Karsten Witte zu
Beginn der 1980er-Jahre über den damals „größten italienischen Filmregisseur
der Gegenwart“ schrieb, hat auch über drei Jahrzehnte später nichts von seiner
Bedeutung verloren, wenn man sich erneut mit den ersten Filmerfolgen des
damaligen Mittzwanzigers Bertolucci eingehender beschäftigt.
Speziell im ersten Teil seines noch in Italien realisierten
Oeuvres, das von „Vor der Revolution“
(1963/64) bis zu „Der große Irrtum“
(1969/70) reicht, jonglierte der Frühbegabte beständig mit verschiedenen
Genres, Stilen und Theorien: Durchgängig mit intellektueller Frische und
unbändiger Freude an den formal-ästhetischen Mitteln der Kinematografie. Quasi
zu jedem neuen Film, egal ob für das italienische Fernsehen oder für das Kino,
mischte er wie ein Pokerspieler auf dem Regiestuhl die filmischen Karten aufs
Neue.