Der Bewunderer „ekstatischer Wahrheiten“ wird nicht
müde. 76 Jahre zählt Werner Herzog inzwischen, doch sein Elan und seine Neugier
sind ungebrochen. Eben feierte sein Dokumentarfilm „Meeting Gorbachev“ beim
Dokfestival in Leipzig Europa-Premiere; ein weiterer Spielfilm ist abgedreht,
ebenso ein BBC-Feature über Bruce Chatwin, und demnächst starten die
Dreharbeiten für seine erste Serie. Ein Gespräch über filmische Innovationen,
das nahende Ende des Kinos und die Frage, was auf seinem Grabstein stehen soll.
Anfang November
haben Sie im Filmmuseum München den nach Ihnen benannten „Werner Herzog Filmpreis“
verliehen. In den von Ihnen verfassten Stiftungskriterien heißt es, dass der Preis
für eine innovative Leistung im Weltkino verliehen wird. Was macht für Sie filmische
Innovation aus? Und wohin entwickelt sich gegenwärtig die Sprache des Films?
Werner Herzog: Der Preisträger
muss nicht nur innovativ sein, sondern auch visionär und mutig! Darum geht es
mir persönlich bei der Preisvergabe. Dafür suchen wir Kandidaten aus der ganzen
Welt, und grundsätzlich auch aus verschiedenen Bereichen. Das kann ein
Schauspieler sein oder eine Kamerafrau, ein Musiker oder ein Dokumentarfilmregisseur.
Da sind wir ganz offen. Für den Werner Herzog Filmpreis kann man sich deshalb
nicht bewerben. Wir vergeben ihn nach dem Motto „We will find you!“ In den
ersten beiden Jahren haben wir ja zwei sehr innovative Preisträger gefunden: den
Dokumentarfilmer Hubert Sauper und die junge Spielfilmregisseurin Chloé Zhao. Für seinen Wahnsinnsfilm „We Come as Friends“ ist Hubert
Sauper mit einem selbst gebauten Miniflugzeug bis ins Kriegsgebiet im Südsudan
geflogen! Oder denken Sie an Chloé Zhao, die wir 2017 ausgezeichnet haben. Sie
hat mit „The Rider“ einen extrem ungewöhnlichen Spielfilm gedreht, in
dem das eherne Filmgesetz aufgebrochen wird, dass die männliche Hauptfigur in
einem US-amerikanischen Film ihren Traum aufgibt. Das hatte Mut und Klasse und
wurde sensationell mit einem kleinen Team gedreht. Das hat man so noch nie
gesehen! Das war wirklich unerhört.
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Die diesjährigen
Preisträgerinnen Liliana Diaz Castillo und Estephania Bonnett Alonso wurden
„für ihr außergewöhnliches kreatives Engagement“ ausgezeichnet. Beide Frauen
organisieren Workshops für junge Filmemacher und Filmemacherinnen aus allen
Erdteilen. Dabei realisieren sie unter Anleitung renommierter Regisseure
innerhalb von neun Tagen und ohne vorherige Projektidee einen Kurzfilm an einem
entlegenen Ort der Welt. Worin bestand hier die außergewöhnliche Innovation? Welche
neuen Regiehandschriften haben Sie in der Begleitung dieser jungen
FilmemacherInnen entdeckt?
Herzog: Mit Liliana Diaz
Castillo und Estephania Bonn