Bo Widerberg
(1930-1997) gehörte in den 1960er-Jahren zu den Initiatoren einer schwedischen
Nouvelle Vague. Eine Würdigung des Filmemachers, dessen Schaffen vom 12. bis
28. April 2019 im Rahmen einer Retrospektive im Berliner Kino Arsenal wieder entdeckt
werden kann.
Britt,
die junge Fabrikarbeiterin in Bo Widerbergs Langfilmdebüt „Barnvagnen“
(„Kinderwagen“, 1963), ist von einem Rock’n’Roll-Musiker schwanger, der die Verantwortung
scheut und wenig Talent für den Alltag hat. Während er im „Rhythmus-Business“
kleine Erfolge feiert, begegnet sie Björn, einem Gymnasiasten, der sich
zwischen Selbstzweifeln und Aufbegehren zerreibt. In einer der schönsten Szenen
des Films – als „Bibliotheksszene“ hat sie in Widerbergs Werk einen geradezu ikonischen
Status – nähert sich das Paar in der Musikabteilung der öffentlichen Bücherei
zu den Klängen von Vivaldi an. Mit Kopfhörern auf den Ohren teilen Britt (Inger Taube) und Björn (Thommy Berggren; er sollte zum Stammschauspieler
in Widerbergs Filmen werden) eine Erfahrung – und teilen sie auch wieder nicht.
Sie hört Vivaldi zum ersten Mal und fragt zuallererst, was es kostet, er ist in
der klassischen Musik zu Hause. „Gefällt es dir?“ – „Die Musik? Sicher.“ –
„Gefällt es dir wirklich?“ – „Nicht wirklich. Dir? – „Ja.“ – „Jetzt klingt es
besser. Ein bisschen.“ Widerberg lässt auf feinstoffliche Weise die Verbindung
und Nähe der beiden Figuren sichtbar werden wie auch ihre Abgetrenntheit, ihre
soziale Differenz.
Und
er zeigt bereits hier seine Meisterschaft im Einfangen eines wahrhaftigen, von
jedem antrainierten Schauspielervirtuosentum entkleideten Ausdrucks. Die Blicke
der beiden Figuren – Blicke zum anderen, Blicke in sich hinein, in die
Vergangenheit – sind offen und empfänglich, aber mitunter scheinen Wellen von Zweifel
und Traurigkeit wie Schatten an ihnen vorbeizuziehen. Spürbar ist auch, dass
Widerberg, der als Sohn einer Arbeiterfamilie aus Malmö in ein anderes
gesellschaftliches Milieu wechselte, beide „Seiten“ vertraut sind. Sein Blick auf
Klassenverhältnisse ist gänzlich frei von Dünkel beziehungsweise Ressentiment.
Der Beginn einer
„schwedischen Nouvelle Vague“
Mit
„Barnvagen“ leitete Bo Widerberg
(1930–1997), der innerhalb des schwedischen Kinos als Antifigur zu Ingmar Bergman gilt (der
Filmemacher Ruben Östlund
sprach einmal davon, dass man entweder zum „