Die Frau kommt aus der Dunkelheit, und sie kommt nach drei Jahrzehnten sozusagen drei Tage zu spät: Ihr Mann ist vor kurzem gestorben und liegt bereits unter der Erde, als sie in Lissabon ankommt. Dabei hat ihrer beider Geschichte auf den Kapverdischen Inseln hoffnungsvoll angefangen. Man hat blutjung geheiratet, baute an der gemeinsamen Zukunft, bis Joaquin auf und davon zog. Nach Lissabon, wo er Geld für ein besseres Leben zu verdienen hoffte. Er schrieb ihr, versprach ein Flugticket zu schicken, kehrte zweimal in die Heimat zurück. "Vitalina Varela", die im richtigen Leben so heißt wie ihre Figur im Film und diesem auch den Titel gab, wartete, hoffte, träumte. Jahrelang, auch als keine Briefe mehr kamen. Man erfährt das im Film von Pedro Costa fast beiläufig: So wie die Menschen, die aus dem Dunkeln der Bilder auftauchen, wird auch ihr Schicksal nur kurz beleuchtet und versinkt wieder im Dämmerdunkel der Bilder. Im Dunkel dieses Filmes auch, der die Leinwand zu geschätzt achtzig Prozent fast schwarz lässt, um die Gesichter, Körper, Gegenstände oder Teile davon, perfekt angeleuchtet, umso plastischer erscheinen zu lassen.
„Vitalina Varela“ war der formal eigenwilligste Film im internationalen Wettbewerb von Locarno 2019. Ein magisch aufgeladenes Trauergedicht, das davon handelt, dass eine Frau, als ihr Mann nicht mehr da ist, mit diesem ihr Leben zu teilen beginnt, bzw. sich eingeschlossen im Raum, den er davor bewohnte, mit ihrem nicht in Erfüllung gegangenen Lebenstraum auseinandersetzt. Das trauergemeißelte Gesicht der Schauspielerin Vitalina Varela wird man so schnell nicht wieder vergessen. Dabei hat man dieses in Locarno bereits einmal gesehen: 2014 in „Cavalho Dinheiro“ („Horse Money“), ebenfalls unter Regie von Pedro Costa, der damals in Locarno den „Leoparden“ für die beste Regie erhielt. Für „Vitalina Varela“ nun erhielt Costa in Locarno den großen Preis, den Pardo d’Oro (Goldenen Leoparden) und seine Hauptdarstellerin die Auszeichnung als beste Schauspielerin.
Das könnte Sie auch interessieren: