Eine der freiesten und beweglichsten deutschen Schauspielerinnen ist
tot: Irm Hermann (4.10.1942-26.5.2020) wurde von Fassbinder entdeckt und auf
die Rolle der frustrierten Spießerin festgelegt. Doch sie wusste sich zu
wehren, gewann Abstand und fand in Berlin Anschluss an viele interessante Milieus.
Schon
in seinem ersten, nur zehnminütigen Film „Der Stadtstreicher“ gab Rainer Werner Fassbinder der damaligen Verlagskauffrau und ADAC-Sekretärin Irm
Hermann die Chance, vor der Kamera zu stehen. Da zieht ein Clochard
durch München und singt vor einer Wohnungstür ein Liedchen: „In Europa ist
alles so groß, so groß – Und in Japan ist alles so klein!“ Die Frau, die die
Tür öffnet, reicht ihm eine Scheibe Brot, womöglich angerührt von dem Gesang,
oder auch nur, weil sie ihn loswerden will. Irm Hermann, hager, distanziert,
mit dem unergründlichen Lächeln einer Frau, die in den Fangnetzen des
Kleinbürgertums festgezurrt ist und sich dort auch bequem eingerichtet hat. Von
da an gehörte sie, bis hin zu „Lili Marleen“ (1980), zum festen Team des
Regisseurs, wurde von ihm geprägt und geformt.