Der
Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen, Lars Henrik Gass, hat das diesjährige 66.
Festival kurzerhand und sehr erfolgreich in eine Online-Ausgabe verwandelt. Im
Rückblick bilanziert er Gewinne und Verluste und ordnet die Corona-Krise in
einen fundamentalen Umbau der Kino-Öffentlichkeit ein.
Lars
Henrik Gass ist Leiter der „Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen“. Der mit
einer Arbeit über Marguerite Duras promovierte Literaturwissenschaftler hat
sich immer wieder mit Texten zu Kino, Filmpolitik und zur Zukunft des Mediums
zu Wort gemeldet. In seinem Buch „Film und Kunst nach dem Kino“
wirft er einen empathischen, aber gänzlich un-nostalgischen Blick auf die Lage
und die Krise des Kinos in Zeiten seiner technischen Relativierung. Anlässlich
der diesjährigen Kurzfilmtage (13.-19.5.2020), die wegen des staatlich
verordneten Lockdowns komplett als – kuratierte, von einem eigens geschaffenen
Blog und Netz-Programm eingerahmte – Online-Ausgabe stattfand, bilanziert Gass
Gewinne und Verluste und ordnet die Corona-Krise in einen fundamentalen Umbau der
Kino-Öffentlichkeit ein.
Das
Kino ist lange Zeit der privilegierte Ort gewesen, um Filme zu sehen. Heute
haben wir vielfältige Formen und Möglichkeiten. Was wir gerade erleben, ist ein
weiterer Strukturwandel der Öffentlichkeit: Die faktische Totalisierung des
Privaten. Das Private und Intime drängen jetzt in die Öffentlichkeit hinein.
Wir haben auf den Straßen plötzlich Angst vor den Anderen, halten Abstand und
Distanz - im Lokal, bald auch im Kino. Die produktive Konfrontation mit dem
Unbekannten, die immer auch eine Irritation ist und die den öffentlichen Raum
ausgemacht hat, geht verloren. Was passiert da gerade, wie korrespondierte das
mit schon länger angelegten Prozessen?
Lars
Henrik Gass:
Das, was wir gerade erleben, zeigt, dass wir kein Problem des privaten Raums
haben, sondern ein Problem des öffentlichen Raums. Ein US-Präsident, der sich
öffentlich auf Twitter verhält, als sei er eine Person im privaten Raum und
nicht eine öffentliche Person mit politischer Verantwortung, zeigt, wie sich
auch die politische Kultur verändert hat. Deswegen habe ich mit Bedacht immer von
der „kulturellen Praxis“ des Kinos gesprochen und nicht von „Kulturtechnik“,
weil Kino für mich keine rein technische Frage ist. Es geht nicht um die Frage,
wie Kino räumlich und technisch vorgehalten wird, sondern wie es faktisch in
einer Gesellschaft genutzt wird. Wenn man sich nicht mehr verabreden kann, um
zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zusammenzukommen, um
etwas gemeinsam etwa zu sehen und zu erleben, das man nicht in jedem Augenblick
ab- oder umstellen kann, verändert sich etwas in einer Gesellschaft.

Durch
„Corona“ ist dies noch verschärft worden.
Gass: Dies ist schon
die Denkfigur meiner Kino-Bücher: Dass das Private auf die kulturelle, also die
öffentliche Praxis Kino übergreift. Das schwächt die mediengeschichtlich
einzigartige Rolle des Kinos und verändert die Art und Weise, wie man ein
Artefakt im öffentlichen Raum betrachtet. Peter Greenaway hat ja gesagt, das
Kino in dem Moment an sein Ende gekommen sei, als die Fernbedienung erfunden
wurde. Dies beschreibt die neue Manipulierbarkeit.
Das
bestimmt auch die Kon