Beinamputationen an Kindern, offene Bauchwunden und abgefrorene
Gliedmaßen sind per se nicht komisch. Die Miniserie „A Young Doctor’s
Notebook“ und ihre zweite Staffel, „A Young Doctor’s Notebook &
Other Stories“, treiben
trotzdem ihr satirisches Spiel damit – ein tiefschwarzes und makabres.
In der ersten Staffel der britischen Serie strampelt sich ein
frischgebackener Arzt (Daniel Radcliffe) im Russland des Jahres 1917
daran ab, in einem ihm fremden Umfeld die übergroßen Fußstapfen eines
Vorgängers auszufüllen – und scheitert auf ganzer Linie. Zwar hatte der
junge Mediziner im fernen Moskau als Jahrgangsbester sein Studium
abgeschlossen, doch in der Realität des winzigen Provinz-Hospitals,
dessen Leitung er übernimmt, scheint sein erworbenes Wissen wenig zu
helfen angesichts des aus Armut und Unwissenheit gespeisten Elends.
In
Staffel 2 setzt sich die Talfahrt fort, nichts zuletzt deshalb, weil
eine Morphiumsucht das Berufsethos des jungen Mannes allmählich
ausgehöhlt hat. Und das, obwohl er es hätte besser wissen müssen,
versucht doch sein eigenes älteres Selbst (Jon Hamm), dem in den
1930er-Jahren die Sucht das Karriere-Aus und Haft eingetragen hat, ihm
ratend und helfend zur Seite zu stehen, um die Abwärtsspirale
abzuwenden.
„A Young Doctor’s Notebook“ beruht auf frühen Erzählungen des Schriftstellers Michail Bulgakow („Der Meister und Margarita“); dieser verarbeitete darin eigene Erfahrungen als junger Arzt und publizierte sie in einem medizinischen Fachjournal. Die Oktoberrevolution, die in der ersten Staffel nur als Hintergrundrauschen mitschwingt, in Staffel 2 konkret und blutig in die Welt der isolierten Klinik vordringt, spiegelt sich in der privaten Misere des Doktors auf höchst ironische Weise: der idealistische Versuch, die Welt zu heilen, mündet in einen Schlamassel aus Selbstbetrug und Schuld.