Der Film „Das Neue Evangelium“ von Milo Rau (seit 17.
Dezember als Video-on-Demand in Deutschland abrufbar) ist neuer „Kinotipp der
Katholischen Filmkritik“.
Der schweizerische Theatermacher Milo Rau wagt in „Das Neue Evangelium“ eine Verbindung von herkömmlichem Jesus-Film, „Making of“ und politaktivistischer Dokumentation. Der aus Kamerun stammende Politaktivist Yvan Sagnet, der seit Jahren in Italien für die Rechte von Migrantinnen und Migranten kämpft, übernimmt darin die Rolle von Jesus. Inszeniert wurde der Film in der süditalienischen Stadt Matera, dem Drehort zahlreicher früherer Bibelfilme und in unmittelbarer Nähe zu den von der Agrarmafia beherrschten Tomatenplantagen.
Der für seine dokumentarische Akribie und seine immer aufs Konkrete gerichtete Arbeiten in Theater und Kino berühmt gewordene Milo Rau setzt auch in „Das Neue Evangelium“ nicht auf eine Analyse der gesellschaftlichen Ursachen von Flucht und Ausbeutung, sondern packt das Problem an der Wurzel an, um Missstände zu beseitigen. Indem die Flüchtlinge aus Afrika in die Rollen von Jesus, seinen Aposteln und ihren Widersachern schlüpfen, entsteht eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem Wirken und der Botschaft Jesu, die deren Bedeutung auch für die heutige Zeit überzeugend hervorhebt.
Im Votum der Kinotipp-Jury heißt es: „Milo Rau gelingt es, die Passion der unter unwürdigen Bedingungen lebenden Arbeitskräfte, die nach traumatischem Fluchterleben ausgebeutet werden, mit der Passion Jesu zu verbinden. Er zeigt deutlich die Verantwortung der europäischen Bürger, die eine ,Revolte der Würde' entweder wahrnehmen und mittragen oder den unhaltbaren Ist-Zustand als Preis unseres Wohlstands ungerührt akzeptieren können. Das sozialrevolutionäre Wirken Jesu transferiert der Film in die Gegenwart, in den Kampf um Gerechtigkeit, Gleichbehandlung und gegen unerträgliche Auswüchse des Kapitalismus. Kirchlich-theologisch werden wichtige kritische Anfragen an das Konzept von Nächstenliebe und an die Jesus-Verkündigung gestellt.“
Durch die Corona-bedingt angeordnete Schließung der Kinos im Dezember 2020 startet der Film in Deutschland vorerst nur online als Video-on-Demand. Tickets sind über die Website des Verleihs Port-au-Prince zu erstehen, die Zuschauer können sich beim Kauf für ein Kino entscheiden, das sie an den Erlösen beteiligen wollen.
Der „Kinotipp der Katholischen Filmkritik“ ist ein Label, mit dem auf dem Portal filmdienst.de Filme hervorgehoben werden, die in besonderer Weise religiöse Themen aufgreifen, von menschlichen Nöten, Sorgen und Hoffnungen erzählen und Antworten auf existenzielle Fragen formulieren.